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Renaissance der Flattermänner

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Vogelscheuchen im Landkreis Uelzen

Unten auf der Wiese tummeln sich die Gänse, nicht ahnend, dass über ihnen am blauen Sommerhimmel ein Bussard seine Kreise zieht. Doch nach kurzem Schauen dreht der Bussard ab, er hat nicht nur seine potentielle Beute sondern auch den Mann entdeckt, der Wache steht. So wie auf einer Wiese in Holxen üben seit Jahrzehnten Vogelscheuchen ihren verantwortungsvollen Job aus. Dabei hat sich ihr Arbeitsprofil in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend geändert. Einst wusste der Bauer, dass von vier seiner Saatkörner, die er in die Erde brachte, eines für die Würmer, eines für die Vögel und zwei für das Wachstum und die Ernte waren. Gegen die Würmer hat er keine Chance, doch die Vögel konnte er mit Vogelscheuchen fernhalten. Die sollten sein Abbild darstellen, einen der über sein Getreide wacht, unterwegs in Lumpen, die sonst keiner mehr trug. Saatkrähen, Spatzen, Elstern und Tauben waren über Jahrhunderte des Landwirts Feind.
Vor gut 70 Jahren begann das große Vogelscheuchensterben, denn die einstigen Helfer wurden nicht mehr benötigt. Die Landwirtschaft entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg rasant weiter. Durch das Beifügen mit Beizmitteln verschmähten die Vögel die Körner. Gleichzeitig begannen die Obstbauern, ihre Bäume mit großen Netzen vor den Mitfressern wie den Staren zu schützen. Die gute alte Vogelscheuche geriet in Vergessenheit. Allein in den Gärten war sie noch anzutreffen, dabei ist ihre Wirkung eher gering. Denn steht eine Vogelscheuche zu lange an ihrem Platz und wird nicht verändert, so nehmen die Vögel die Silhouette der Vogelscheuche einfach nicht mehr wahr. Deshalb muss eine wirkungsvolle Vogelscheuche immer über etwas verfügen, das sich auch im leichten Wind bewegt, um Leben vorzutäuschen.
Doch seit einiger Zeit erleben die Vogelscheuchen auch im Landkreis Uelzen eine Renaissance wie etwa bei der Gänsezucht bei Holxen, als Greifvogelschreck und Schutz der Hühner in Kirchweyhe, als Hüter im Gemüsegarten in Uelzen, als Abwehr der Krähen auf einem Süßkartoffelfeld bei Emmendorf. Sie kosten (fast) nichts, sind einfach herzustellen und geben zumindest das Gefühl, etwas gegen die in diesem Fall unliebsamen Vögel unternommen zu haben. Denn eine Vogelscheuche ist leicht hergestellt. Ein Kreuz aus Holz zusammengenagelt oder -geschraubt, ein wenig alte Kleidung darüber gezogen, dazu noch etwas, was sich im Wind bewegt – fertig ist die Vogelscheuche.
Doch wenn es nach Christian Morgenstern geht, dann nehmen die Vögel von heute die Vogelscheuche schon lange nicht mehr ernst, wie er in einem Gedicht beschreibt, denn die Raben wissen: „Du bist ja nur ein bloßer Stock, mit Stiefeln, Hosen, Hut und Rock…“.
Und auch wenn das so ist – von ihrer Faszination haben sie bis heute nichts verloren.

[Dirk Marwede]

Die Hühner in Kirchweyhe fühlen sich sicher unter dem Schutz des blauen Mannes.

In Gärten wie hier in Uelzen, sind die Flattermänner eher selten geworden.

Hoch oben im Kirschbaum tut diese Vogelscheuche ihren einsamen Dienst. (Westerweyhe)

Der Zahn der Zeit oder doch eher das Wetter nagen am Leben der Vogelscheuchen.

Der Klassiker mit Jacke, Hut und Gesicht – entdeckt auf einem Feld bei Emmendorf.

Von hoch oben auf einem Schuppen bewacht diese Vogelscheuche bei Holxen die Wiese.