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Nachhaltig Uelzen – Werner Steinbrecher

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Texte & Töne

Rede bei der Eröffnung der Ausstellung im Kreishaus
am 22. September 2023:

Im Büro von Heiko Blume stehen zwei kleine Zeichnungen, die seine Frau gemacht hat.
Warum? Klar – aus Liebe zu seiner Frau. Aber … warum Zeichnungen – warum nicht nur Fotos? Ist Heiko Blume ein ausgesprochener Kunstliebhaber? Da bin ich mir nicht so sicher. Es ist, denke ich, etwas anderes. Ich glaube, dass es eher damit zu tun hat, dass Zeichnungen uns besonders berühren können. Offenbar hat Kunst einen Mehrwert über das Realistische hinaus.
Die Zeichnungen verkörpern etwas Vertrautes – und etwas Eigenes. Sie sind damit im Büro irgendwie ein Fremdkörper. Inmitten von Akten und Zahlen durchbrechen sie die Funktionalität. Ich denke, dass das, was für den Raum des Landrates gilt, für das ganze Gebäude gilt. Eine Durchbrechung der Funktionalität tut gut.
Das wird beim ganzen Gebäude natürlich etwas schwieriger. Es wäre überraschend, wenn wir überall in den Fluren Zeichnungen von Verwandten von Mitarbeiter/innen sehen würden.
Welche Bilder hängen wir auf – im gemeinsamen Haus? Ich glaube, es wäre nicht klug, wenn wir die Bilder so wenig sagend wie möglich halten. Die Imagekampagne des Landkreises weist eher in eine andere Richtung. Sterben tut hier nur die Langeweile. Chapeau.

Texte und Töne. So heißt die Ausstellung mit Werken von Werner Steinbrecher.
Dieses Gebäude ist voll mit offiziellen Texten. Die Textbilder von Werner Steinbrecher durchbrechen die Akten und Dokumente. Dieses Gebäude ist voll mit IT. Die Musikbilder von Werner Steinbrecher durchbrechen die formale Kommunikation. Wir alle kennen die poetische Kraft der Sprache und die Magie der Musik. Ich hoffe, dass die Bilder ein wenig Poesie und Magie in das Gebäude bringen.
Ich wünsche Ihnen mit diesen Bildern meines Freundes Werner Steinbrecher ein Haus, das größer ist als seine Funktionalität.
[Gerard Minnaard]

Auszug aus der Trauerrede von Gerard Minnaard

Die Rolle des Künstlers ist es, nicht die Bilder, die wir im Kopf haben, zu bestätigen, sondern sie aufzubrechen. Der Künstler schmiert nicht zu, er irritiert. Warum? Weil es unter uns so viel Unheil, soviel Unwahres, soviel Unechtes gibt. Wenn die Kunst die Aufgabe hat, Schönheit und Wahrheit miteinander zu verbinden, dann wird die Kunst in einer gebrochenen Welt auch immer eine Form des Protestes sein. Protest gegen Scheinharmonie und billige Lösungen. Sie wird auch das Hässliche zeigen und das Verdrängte offen legen.

Priesterlich: Werner und ich haben öfter darüber geredet, dass es ein Privileg des Künstlers ist, in einer Gesellschaft, in der niemand Zeit hat, sich Zeit zu nehmen, um bestimmte Aspekte des Lebens festzuhalten und sie aus dem Fluss der Dinge herauszuschneiden. Traditionell ist es in der Bibel die Aufgabe des Priesters, der von der normalen Arbeit freigestellt wird, um das „Heile“ festzuhalten und weiterzugeben. Er hat die Aufgabe stellvertretend für das Volk das Unheil nicht zu verdrängen, sondern zu durchleben. Werner hat diese priesterliche Rolle auf sich genommen. Er hatte die Gabe, sich nicht anzupassen und nicht zu verdrängen. Ich habe diese Gabe geschätzt – auch wenn dieses Nicht-Verdrängen für andere sehr anstrengend sein kann.

Prophetisch: Werner hat die Probleme dieser Welt nicht nur ausgehalten, er hat sich aktiv und gestalterisch damit auseinandergesetzt. Er hat versucht sie zu verarbeiten. Werner war ein 68iger. Er wollte sich gesellschaftlich, politisch einmischen. Wenn Kunst eine Botschaft hat, dann kann es leicht passieren, dass das Künstlerische instrumentalisiert wird und keinen eigenen Raum mehr hat. Das war bei Werner nicht so. Dafür war er zu professionell.

Königlich: Es gibt in der biblischen Überlieferung noch ein drittes Amt: das des Königs. Der König ist derjenige, der dafür sorgt, dass das Leben gelingt. Ich möchte Werners Ringen mit dem Verdrängten, dem Unheilen, dem Unschönen und dem Unwahren verstehen als ein königliches Ringen um Menschwerdung. Ich will aus Werner keine Lichtgestalt machen. Aber überall wo Menschen um Humanität, um Wahrheit und Schönheit ringen, spüren wir etwas von der Kraft der Auferstehung. Werner hat bei Ebstorf den Auferstehungsweg gestaltet. Wir haben im Vorfeld viel darüber miteinander geredet. Wir waren uns darin einig, dass die Kraft der Auferstehung uns nicht irgendwann, nach dem Tod, erfassen will. Sie will unser Leben bestimmen – hier und heute. Diese Kraft hilft uns, das Ringen um Menschlichkeit überhaupt durchzuhalten. Werner hat dieser Kraft Gestalt gegeben.

Werner Steinbrecher wurde 1946 geboren und wuchs in Düsseldorf auf. Er studierte Architektur und Kunst u.a. in Berlin. 1989 zog er nach Allenbostel bei Uelzen. 2008 starb Werner Steinbrecher an den Folgen einer Krebserkrankung. 

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