Erik Breer gen. Nottebohm ist 21 Jahre alt und kann den Zuhörer mitreißen und überzeugen. Er ist in dieser Woche das zweite Mal zu Gast bei der „International Academy of Music“ – in Klammern: Winter. Einmal besuchte er die Meisterklasse auch schon im Sommer.
Der 02. Januar ist traditionell der erste Unterrichtstag der „Winterakademie“, die nun auch schon die Nummer fünf davor trägt. Die Silvesterfeier sollte also nicht zu ausgiebig gewesen sein, meldet man sich hier an. In diesem Jahr reisten die ersten Studenten von insgesamt 17 sogar schon am ersten Tag des Jahres an, als könnten sie es nicht erwarten, hart zu arbeiten.
Erik Breer gen. Nottebohm ist als Schüler bei Prof. Hinrich Alpers eingetragen, der im Ratssaal sitzt. Prof. Bernd Goetzke erwartet seine Studenten in der Musikschule Oldenstadt. Alle Teilnehmer werden täglich getestet, haben auch sonst alle erforderlichen Pandemie-Nachweise dabei. Leider wird es kein öffentliches Abschlusskonzert geben. Vielleicht nur ein internes „Vorspiel“ zum Abschluss.
Erik Breer gen. Nottebohm stellt in seiner Unterrichtsstunde den ersten Satz der Klaviersonate von George Benjamin vor. Der Komponist wurde 1960 in London geboren und schrieb bis jetzt nur diese eine Sonate; ohne angegebene Tonart, Rhythmus und Geschwindigkeit mehr als vage bezeichnet.
Warum, so frage ich den jungen Mann, der mit zwölf Jungstudent an der Musikhochschule Köln war und im Rahmen seines Musikstudiums sich für ein halbes Jahr in Paris vervollkommnete, geht man nicht eher ausgetretene Pfade. Gerade auch in der Neuen Musik. Ein bisschen Ligeti, ein Quäntchen Bartók oder vielleicht Eisler, Schönberg oder Berg? Da sprudelt es aus dem Befragten heraus, was für eine herrliche Herausforderung gerade diese „ganz neuen“ Partituren für ihn seien. Er könne damit arbeiten, ganz fremdes Terrain betreten. Wir lachen beide darüber, dass es hier der Möglichkeiten weniger gibt, wie sie immer als Tücken einer Beethoven-Sonate immanent sind: Irgendeiner weiß es besser, wie die zu interpretieren sei! Diese Art der Besserwisserei fällt bei Neuer Musik (meist) aus.
So gehen Lehrer und Schüler offenbar d`accord, Ich erinnere mich, dass Hinrich Alpers vor geraumer Zeit einmal ein Konzert für Neue Musik bei der Sommerakademie ausrief. Die Bereitschaft oder auch die Fähigkeit dazu blieb sehr übersichtlich. Ein Stück Tadshikischer Musik ist im Gedächtnis geblieben als atemberaubend. Den Abend gerettet aber hat im Sommer 2018 ein großes Opus, für das Ursula Oppens 50 Minuten lang am Flügel saß. Als sie schloss, jubelte der Saal und verbeugte sich vor dieser Künstlerin. Vor dieser physischen Leistung und der Interpretationswucht. Und vor einem Stück des US-amerikanischen Komponisten Frederic Rzewski (der im vergangenen Sommer starb). Er widmete es Ursula Oppens, die es vor 40 Jahren auch uraufführte. „The People United will Never Be Defeated! – 36 Variationen über ein chilenisches Protestlied für Klavier“.