Kabale und Liebe im Rathaus
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Laientheatertruppe „Uhl Stars“ führt Stück von Carsten Schlüter auf
Das alte Kartenhaus war zusammengefallen – jetzt wird neu gemischt. Mit neuen Protagonisten. Nach alten Rezepten. Im fiktiven (!) Rathaus von Carsten Schlüters Bühnenstück „Das Haus der Karten“ galoppiert der Amtsschimmel munter durch die Räume, trägt jeder den Dolch im Gewande, den er gegen den Konkurrenten skrupellos wenden wird, blüht so manch zartes Gefühl oder eins aus Berechnung und treibt das Gekungel sein Unwesen. Wie gesagt, es ist nur ein fiktives Rathaus! Dann gibt es eine Leiche, und die Polizei ermittelt. War es Mord? Auszuschließen ist das nicht, wo der Verblichene doch offenbar der Einzige war, der sich an die Gesetze hielt. Naja, an das „Du sollst nicht die Ehe brechen“ nicht.
Die kleine Bühne im Keller des Theaters an der Ilmenau ist eingeweiht. Premiere feierte das neugegründete Ensemble „Uhl Stars“, das Carsten Schlüter, Autor der Uelzen-Krimis und Radiomensch, aus der Taufe hob, und mit dem er sich einen lange gehegten Wunsch erfüllte. Damit hat der Landkreis eine neue Laienbühne mehr, deren Auftakt jedoch war ziemlich vielversprechend und vor allem unterhaltsam.
Schlüter schrieb das Stück nicht nur, er führte auch Regie und spielte mit. Und er schaffte es, seinen Figuren einen unverwechselbaren, kräftigen Typus zu verpassen. Da ist Bürgermeisterin Heidelinde, die ihre Amouren mit dem Bauamtsleiter Wilfried Brömmke endlich ehrlich machen und sich scheiden lassen will. Überhaupt ist die Frau harmoniesüchtig und eine völlige Fehlbesetzung als Stadtoberhaupt. Denn dieser ganze Verwaltungskram liegt ihr gar nicht, sie eröffnet lieber den Kindergarten oder redet vor den Landfrauen. Susanne Brudna balanciert diese Rolle aus, dass man diese mittelalte, schon ein wenig verblühte Frau nicht nur bedauern muss. Matthias Schubert als ihrem Gspusi und Bauamtsleiter am Rande der Neurose wird das alles zu viel: Die Anhänglichkeit der Frau, der Ärger mit dem Baulöwen-Platzhirsch Lübke (Auftrumpfend: Gerrit Striepe), der jede Ausschreibung zu gewinnen hat, weil er schließlich dafür eine Menge Schmiergeld zahlt, und diese Witwe Görrenbach (aus der politisch stärksten Fraktion: Margret Grigo), deren Grundstück er für die Stadt endlich kaufen soll. Alle zerren sie an ihm herum. Dabei weiß er noch nicht, dass ihn seine Sachbearbeiterin (Karrieristin: Anja Emrich) aushorcht und dem Ersten Stadtrat fürs eigene Fortkommen Meldung macht.
Carsten Schlüter ist dieser Stadtrat. Wem hat er da die Posen eigentlich abgelauscht? Dieses sich winden, wenn man es jedem Recht machen will und muss, damit einem nicht die Fäden des Handelns aus der Hand flutschen. Und dann gibt es noch die junge, aufstrebende Pressesprecherin Lena (Olivia Schlüter), den Amtsarzt, der ständig was mampfen muss ((Mike Mathis), weil erst das Fressen und dann die Moral kommt, die taffe Hauptkommissarin Hinze (Antje Kamp) mit ihrer Assistentin Winkelmann (Brunhilde Parsiegla), bei denen jeder Fall in guten Händen ist.
Man darf davon ausgehen, dass Autor Carsten Schlüter den Titel „Das Haus der Karten“ in durchaus zweideutiger Manier wählte. Natürlich gibt es in einem Rathaus viele Karten zwischen Stadt- und Feldmark- und Bebauungsplänen. Dass das Miteinander in dieser Verwaltung aber auch ein Kartenhaus sein kann, das sich jeder mit seinen eigenen Amigos aufbaut und das sehr fragil steht, haben schon zahlreiche Prozesse bewiesen.
Man fragt sich in diesem Zusammenhang, ob der Erfinder des Niedersachsen-Wappens eigentlich ein Schelm war, als er das Ross zum Symbol für das Land erhob. Dachte der an den Amtsschimmel?
Es ist ein munteres Laienspiel, für das man ja immer bereit sein muss, Abstriche hinzunehmen. Was die Truppe um Schlüter aber da auf die Bretter stellt, kommt fast ohne Hänger aus. Alle spulen sympathisch ihren Part ab. Der Text lebt von vielen Anspielungen und Spitzen. Beispiel: „Kreativität im Rathaus? Das wäre das erste Mal!“ Oder: „Welche Postleitzahl hat dein Wolkenkuckucksheim?“ Und: „Ich bin doch nicht in die Stadtverwaltung gegangen, um mich mit Menschen auseinanderzusetzen! Dann hätt` ich auch Sozialarbeiter werden können!“
Jedenfalls ist der Abend ein Spaß, denn man stellt sich adäquate Persönlichkeiten vor, sucht Parallelen und – ist amüsiert. Es ist den „Uhl Stars“ also ein gelungener Start zu bescheinigen. Und: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären selbstverständlich rein zufällig!
Eine Bemerkung aus der Meckerecke: Wenn am Ende der Oberintrigant und Bösewicht abgeführt wird, wird er nicht „verhaftet“, sondern „vorläufig festgenommen“. Als Polizistenfrau weiß ich das (besser)! Und an das Rathaus in dieser Stadt die Bitte zur Überlegung: In dieser Studiobühne sieht man ab Reihe drei quasi nichts, wenn die Akteure auf der Bühne sitzen. Das Podium wäre dringend nachzubessern, also höher zu legen, weil eine Rangstaffelung der Zuschauer nicht zu realisieren ist.
Weitere Aufführungen: Montag, 28. November, Freitag, 02. und Mittwoch, 07. Dezember 2022. Immer 20 Uhr. Die letzte Veranstaltung findet nicht im Keller in der Studiobühne statt, sondern auf der Hinterbühne des Theaters.
Barbara Kaiser – 22. November 2022