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Jugendstudienreise statt deutsch-französischem Jugendaustausch

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Dass Brüssel nicht einfach irgendeine Hauptstadt ist, war den Jugendlichen aus dem Landkreis Uelzen bereits klar. So oft taucht der Städtename im Zusammenhang mit der Europäischen Union auf und auch der Titel ihrer Studienreise erklärt die Reise zu einem außergewöhnlichen Projekt: Europa kennen lernen in Brüssel. Ursprünglich war ein Treffen mit französischen Partnern und Partnerinnen im Rahmen des Jugendaustausches des Landkreises geplant. Das scheiterte an der bedauerlicherweise fehlenden Beteiligung der französischen Seite, erklärt Matthias Borger, Jugendamt. Nach dem Ausfall mehrerer Begegnungen durch die Pandemie sei es jedoch notwendig gewesen, die immer noch wartenden und auch neuen BewerberInnen durch ein attraktives Angebot interessiert zu halten. Der Jugendaustausch besteht seit Jahrzehnten erfolgreich und fand durchgehend bis 2019 statt. Yara Zoch hat schon daran teilgenommen, Freundschaften aufgebaut und mit ihrem Einsatz als Jugendleiterin der Reise schließt sich jetzt für sie ein Kreis.

Für die Lehramtsstudentin, die 11- bis 16-jährigen Jugendlichen, sieben Jungen und neun Mädchen, sowie für die erfahrenen Teammitglieder war die Fahrt mit der Bahn die erste Herausforderung. In Köln drohte durch Verspätungen der Anschlusszug nach Brüssel verpasst zu werden, erst kurz vor Ankunft dort war klar, der Zug würde warten. Die reservierten Plätze waren nach längerer Diskussion jedoch erst nach Einbindung des Zugbegleiters einzunehmen. Diese letzte Strecke sei das Nadelöhr, hatte auch schon Europaabgeordnete Lena Düpont bei ihrem Treffen mit der Reisegruppe erklärt. Die Züge seien hoch ausgelastet, weil einerseits aufgrund verschiedener Bahnsysteme nur wenige Züge hier eingesetzt werden könnten und andererseits fiele gefühlt – am Nachmittag des Reisetages tatsächlich – jede zweite Verbindung aus.

Für den Aufenthalt hatte Katharina Bielenberg aus dem Organisationsteam ein umfangreiches Programm vorbereitet. Es wurden viele Besuchsangebote der Europäischen Union wahrgenommen. Eine Einführung und Führung im Parlamentsgebäude holte auch die jüngeren Teilnehmenden mit einfachen Erklärungen und einem Sprachquiz auf ihrem Wissensstand ab. Umfangreicher ging es später im Parlamentarium weiter, einer multimedialen Ausstellung über die Geschichte und Geschichten der Europäischen Union. Jeder konnte hier in eigenem Tempo und den eigenen Interessen folgend den Besuch gestalten. In der Ausstellung „Sprache der Mauern“ im Haus der Europäischen Geschichte erhielt die Gruppe einen Einblick in die Entwicklung von Aushängen und Plakaten. Im folgenden Workshop wurden dann eigene wichtige Botschaften wie zum Beispiel „Freies Wasser für Alle“ formuliert und mit einem Plakat illustriert.

Europa über die Institutionen kennen zu lernen ist eine Sache, eine andere ist es, von verschiedenen Menschen zu hören, was Europa ausmacht und für sie bedeutet. Schon bei den Führungen der Besuchsangebote gab es einige persönliche Erfahrungen zu hören. Weitere Einblicke ermöglichte der Besuch der Vertretung des Landes Niedersachsens bei der EU. Jan Lüdtke, Referent für Innenpolitik, erläuterte nicht nur die Aufgaben der Landesvertretung sondern gab auch offen Auskunft über seinen persönlichen Weg nach Brüssel. Wichtig im Kleinen wie im Großen sei ein Netzwerk von Kontakten, um informiert zu sein und etwas bewegen zu können.

Solch ein Netzwerk ermöglichte dann auch, dass die Jugendlichen einen Abend mit drei in Brüssel ansässigen, überzeugten Europäern verbringen konnten. Stefan aus Frankreich und Michael aus Österreich, beide Verwaltungsbeamte des Europäischen Parlaments, sowie Sebastien aus Belgien, tätig für eine internationale Firma, erklärten ihren familiären internationalen oder mehrsprachigen Hintergrund, ihren Werdegang, ihre Arbeit, wie sie und wir alle von Europa profitieren. Allein die Beteiligung einer vierten Diskussionspartenerin scheiterte an dem Ausfall aller Züge von Köln nach Brüssel an diesem Tag.
In der Runde mit den interessierten Jugendlichen zeigten sie, wie Verständigung in verschiedenen Sprachen funktioniert. So mag es teilweise wie auf dem Platz vor dem europäischen Parlament geklungen haben, wenn Deutsch, Flämisch/Niederländisch, Englisch, Französisch und ein paar Brocken Schweizerdeutsch – einer der jüngsten Teilnehmer gab diese zum Besten – zu hören waren.

Brüssel ist jedoch nicht nur die oder eine der Hauptstädte Europas, sondern begreift sich auch als die Hauptstadt des Comics. Unter Beweis gestellt wird dies durch viele Comicbilder im öffentlichen Raum, die im Rahmen eines selbständigen Stadtrundganges erkundet werden konnten. Der belgische König Philippe hat in der Stadt seinen Arbeitsort als höchster Repräsentant des Landes. Einmal im Jahr werden die Tore zum königlichen Palast für die Öffentlichkeit geöffnet, sodass auch die Uelzener Gruppe den glanzvollen Prunk der Räume und die dort aktuell installierte Legoausstellung rund um das Thema Nachhaltigkeit erleben konnte. Der Weg aus der Innenstadt heraus, um das Atomium aus der Nähe zu sehen, ermöglichte nebenbei einen Blick in die „größte Kunst-Galerie Brüssels“ in den Metrostationen. Und dann sind da noch die leckeren Spezialitäten, die Schokolade, die Waffeln und die Fritten. Diese Aspekte wurden bei den Stadtführungen nicht ausgelassen, die Jörn Bielenberg ausgearbeitet hatte. Kulinarisch eröffnete sich in Brüssel überhaupt nicht nur Europa sondern die Welt für die BesucherInnen der Stadt. Darüber hinaus machten die Jugendlichen ihre eigenen Flohmarkt- und Shopping-Erfahrungen. Manche können sicher berichten, wie gut die Netzabdeckung in der Stadt ist, wo WLAN verfügbar ist und ob und wo es für Streaming oder Online-Spiele ausreicht. Daneben fanden sie sich jedoch immer auch zu gemeinsame Herausforderungen, Spielen und Feedback-Runden wieder und beteiligten sich an der Fotodokumentation der Erlebnisse von Maskottchen „Heidi Mouton“ in Brüssel. Ein Teil der Bilder ist auf der Webseite des Jugendaustausches veröffentlicht.

Jetzt hoffen alle Beteiligten auf einen Neustart für die Begegnungen im deutsch-französischen Jugendaustausch in 2023, wenn die Partnerschaft mit Frankreichs Metropolregion Rouen sein 50-jähriges Jubiläum feiert. In diesem Zusammenhang schweben auch für die Jugendlichen besondere Aktionen in der Luft, die sie nicht nur einladen dabei zu sein sondern auch selber zu gestalten.

Fotos von Jörn Bielenberg

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