„Ideen hab ich mehr als Zeit“
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Atelierbesuch bei Claudia Krieghoff-Fraatz in Bahnsen
Es ist ein Katzenhaus, das große, alte Bauernhaus an Bahnsens Ortseingang. Keine einzige der Vierbeiner wurde angeschafft, sie wurden gerettet, gesundgepflegt und adoptiert; benehmen sich allerdings jetzt dergestalt, als gehörte das Anwesen schon immer nur ihnen. Wie Katzen das halt so machen. Claudia Krieghoff-Fraatz ist eine Katzenfreundin. Überhaupt habe sie Tiere schon immer gemocht. Genauso wie die Natur. Dass die im Jahr 1970 Geborene Biologie studierte, verdankt sich daneben ihrem Lehrer, der viele seiner Schüler infiziert habe mit der Begeisterung für das Fach. Aber: Auch für Kunst habe sie sich immer interessiert. „Als Kind habe ich gemalt, gemalt, gemalt …“ Eine große Strafe war für sie, als die Großmutter die Papierverschwendung anprangerte und ihr Malheft nach ganz oben auf den Küchenschrank verbannte. Das sind so Kindheitstraumata, von denen jeder welche mit sich herum trägt. Dennoch war es sicherlich keine Trotzreaktion, dass sich die 52-Jährige nach dem Diplom in Zoologie mehr und mehr der Kunst zuwandte, zumal sie mit ihrem abgeschlossenen Studium keine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekam. Heute lebt sie mit ihrem Mann Michael in diesem Katzenhaus. In dem aber nahezu jedes Zimmer noch eine Funktion für ihre Kunstausübung hat. In einem entstehen die Aquarelle, im anderen die Ölbilder, hier wird genäht, dort lagert, korrekt geordnet und beschriftet, die Muschel- und Schneckensammlung. Eine alte Liebe aus Studienzeiten, die eine Präferenz für die Südsee gebar …
Im Südharz aufgewachsen, studierte Krieghoff-Fraatz in Braunschweig, war ihrem späteren Mann nachgefolgt. Beide ziehen nach dem Studium nach Lüneburg, ein Haus würde aber in dieser Metropole unbezahlbar bleiben; so kommen die beiden im Jahr 2003 in Bahnsen an. Weil der Abiturientin zum Studium der Kunst der Mut fehlte – niemand konnte ahnen, dass ein Abschluss in Zoologie genauso brotlos bleiben würde –, findet sie sich nun aber in die Umstände. „Das Leben kommt ja meist anders, als man denkt“, ist der lapidare Kommentar dazu. Claudia Krieghoff-Fraatz ist ungeheuer kreativ in ihrer Kunstausübung. Es gibt kaum etwas, das sie nicht probierte. Obendrein sei sie „hilfsbereit, zuverlässig, engagiert, kreativ und in ihren Arbeiten sehr wandlungsfähig“, sagt Renate Schmidt, die Mit-Künstlerin in Kunstverein und BBK. Eine Unmenge an ehrenamtlicher Arbeit für den Kunstverein macht die Bahnserin ohne Getöse und angenehm bescheiden.
Es ist fast 15 Jahre her, dass ich fasziniert vor den magischen Bildern von Claudia Krieghoff-Fraatz stand. Sie malte damals in einem Volkshochschulkurs (den sie inzwischen leitet), der die Ergebnisse seiner Aktivitäten präsentierte. Die Arbeiten schöpften aus der Motivwelt von Sagen und Mythen; sehr romantisch, sehr idyllisch, handwerklich solide und voll der Fantasie. Ein paar Jahre später wurden diese Bilder schon gebrochen durch eine gewisse Ironie, durch Sarkasmus auch. Da schaute den Betrachter beispielsweise eine missmutige Mona Lisa an unter der Überschrift „Sie hat den Blues“. Oder es gab einen Bischofskopf mit dem Titel „Scheinheilig“. Jetzt bieten die Bildwelten der Künstlerin keinerlei Fluchtfantasien mehr, zu ihrer letzten Ausstellung in Oldenstadt (siehe www.barftgaans.de/Feuilleton) im vergangenen Herbst sagte sie: „Kunst muss auch aufschreien“.
Claudia Krieghoff-Fraatz ist ein Mensch, der sich Gedanken macht über diese Gegenwart, den wahrscheinlich auch Ängste plagen. Das ist heute nicht selbstverständlich in Zeiten des „Spassss-haben-Wollens“. Und trotzdem dreht sich die Kunst, die sie macht, nicht ums eigene Ego, sondern verbindet Befindlichkeit mit genauen Beobachtungen und dem Zustand dieser Welt. „Ich male keine Ritter und Elfen mehr“, erklärt sie kategorisch. Aber sie habe mehr Ideen als wahrscheinlich (Lebens)Zeit. Und so entstehen beeindruckende und erschütternde Bilder, neuerdings aber auch reizende Aquarelle zur Entspannung, weil man sich nicht 24 Stunden am Tag all das (fremde) Leid auf die Schultern laden kann, dazu witzig-skurril-makabre Dioramen, Geschichten in kleinen Holzkästen, und Skulpturen, meist aus Pappmaché. Claudia Krieghoff-Fraatz kann aber auch Schmuck und Puppen, was sie aber selber „Kunsthandwerk“ nennt.
Wohin soll es gehen? Die Frage sei eher, wo will ich hin oder wo führt es mich hin? „Manchmal entgleitet das Bild einem beim Malen fast.“ Ein wichtiges Werk will Claudia Krieghoff-Fraatz noch schaffen, egal in welcher Technik. Aber dass es mit Menschen zu tun haben wird, weiß sie schon. Ein Werk, das bleibt, auf das sie stolz sein könnte. Es ist davon auszugehen, dass sie es schaffen kann. [Barbara Kaiser]