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Huhn ist Huhn, oder Nicht? – Barftgaans erklärt, was es mit dem Zweinutzungshuhn auf sich hat

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Wir sitzen in einem Landkreis mit einer enormen Fachkompetenz in Sachen Huhn. Mit dem Bauckhof Klein Süstedt, der Mitbegründer der Brudertier-Initiave Deutschland ist und sich des ethisch unhaltbaren Themas des „Kükentötens“ als Normalzustand in der Legehennenzucht angenommen hat. Und da wären wir auch schon im Thema – die Legehenne legt Eier, klar. Aber was macht eigentlich der Bruder?
Rein ökonomisch gesehen hat er keinen Nutzen, er wächst zu langsam, hat nicht genug Fleischansatz und Eier legt er auch nicht. Deshalb werden nach wie vor – vor allem in der konventionellen Tierzucht – viele männlichen Küken der Legehennen gleich nach dem Schlupf getötet. Insbesondere in der ökologischen Landwirtschaft hat sich mit der Brudertier-Initiative in diesem Themenfeld einiges getan.

Die Brüder werden durch einen Aufschlag auf den Eierpreis unter dem Motto „4 Cent für die Ethik“ mit den eierlegenden Schwestern aufgezogen. Aber was ist eigentlich der Grund für diese Krux?
Im durch Hunger geprägten Nachkriegsdeutschland wurde sehr viel Energie und züchterisches Know-how in unser heutiges Problem investiert: Hühner entwickeln sich schnell, ihr Fleisch steht nach wenigen Wochen zur Verfügung, ihre Eier sind wertvolle Lebensmittel. Die Zucht von Geflügel hat sich auf zwei verschiedene Ziele konzentriert. Das eine, kräftige Huhn, das schnell wächst und im Verhältnis zum Körperbau viel Fleisch ansetzt – und das andere, schlanke Huhn, das möglichst viel Energie ins Eierlegen investiert, statt in den Fleischansatz. So entstanden zwei spezialisierte Zuchtlinien für Eier und für Fleisch.

In der Mastgeflügelzucht ist das Problem eher die gesundheitliche Belastung der Tiere, geschlachtet und zum Brathuhn werden aber Hennen wie auch Hähne. So erklärt sich der etwas sperrige Begriff „Zweinutzungshuhn“: Gemeint ist damit eine Hühnerzüchtung, die beide Eigenschaften – eine gute Legeleistung und ein guter Fleischansatz – wieder in einer Rasse vereint. Beide Zuchtziele müssen dafür Abstriche in Kauf nehmen, es werden weniger Eier im Jahr gelegt und die Brust ist nicht mehr ganz so schwer. Ein super Nebeneffekt für die Tiere: Sie sind einfach deutlich gesünder und widerstandsfähiger!
Den ersten Impuls gab die Brudertier-Initiative, die bei Gründung 2012 noch Bruderhahn-Initiative hieß. Durch dieses Engagement, initiiert von Öko-Landwirtschaft und Öko-Handel, haben die beiden großen Bioverbände Demeter und Bioland 2015 gemeinsam die gemeinnützige ökologische Tierzucht GmbH (ÖTZ) gegründet, die sich dem Thema der Zweinutzungsrassen annimmt. Derzeit liegt der Schwerpunkt noch auf Hühnern, aber das Problem besteht nicht nur dort. Auch bei anderen Nutztierrassen werden Linien nach unterschiedlichen Leistungsmerkmalen gezüchtet, zum Beispiel bei den Rindern.

In der Hühnerzucht haben sich die ersten zukünftigen Zweinutzungshühner schon bewährt. Dazu gehören die Gebrauchskreuzungen „Cream“ und „Coffee“ – in beide wurden jeweils Bresse-Hühner als alte, ursprüngliche Rasse eingekreuzt.
Wer mehr über das Thema der ökologischen Tierzucht und ihre Hintergründe erfahren möchte, findet weiterführende Informationen auf www.oekotierzucht.de.

Alte Nutztierrassen
Gerade die alten Nutztierrassen sind es, die oftmals beide wirtschaftlich interessanten Merkmale miteinander verbinden – damit diese Vielfalt in der Tiergenetik aufgrund der leistungsorientierten Züchtung nicht verloren geht, engagieren sich viele Hobbyzüchter, aber auch landwirtschaftliche Betriebe für den Erhalt alter Nutztierrassen. Seit über 40 Jahren engagiert sich die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen e. V. (GEH) und führt eine „Rote Liste“ der vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen in drei Gefährdungsstufen.
Die Vorwerk-Hühner, die Besucher der Woltersburger Mühle, am Eingangsbereich empfangen, stehen unter Beobachtung – zählen aber nicht mehr zu den gefährdeten Rassen. Wenn wir nicht gerade wegen einer Pandemie mobil zuhause arbeiten, begrüßen sie uns morgens auf unserem Weg zum Büro. Und manchmal, wenn sich unsere „Chefin“ unbeobachtet fühlt, gackert sie mit den Hühnern, aber pssst… nicht weitersagen!

Vorwerk Hühner
Diese Rasse ist über 100 Jahre alt und wurde ab 1912 erstmals bei Geflügelschauen in Hamburg, Berlin und Chemnitz vorgestellt. Gezüchtet wurde sie von Kaufmann Oskar Vorwerk. Sie zeichnet sich durch Genügsamkeit aus und hat ein ruhiges, zutrauliches Wesen. Interessant ist, dass ihr Züchter sich damals schon das Ziel gesetzt hatte, ein Huhn mit gleichermaßen guter Eier- wie Fleischleistung zu züchten – das obendrein noch schön ist. Dafür kreuzte er „Lakenfelder“ als Zeichungsträger, „Gelbe Orpington“ und „Gelbe Ramelsloher“ sowie „Blaue Analusier“
(www.erhaltungszucht-gefluegel.de).