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Feuilleton News

Großes Drama

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Ulrike Dornis stellt im Kunstverein „Kammerspiel mit Helden“ aus/Vernissage: 02. September 2023, 17 Uhr

Als die Künstlerin vor elf Jahren schon einmal in Uelzen ausstellte, habe ich ihre Kunstwerke mit dem Wesen der Novelle verglichen. Die ja, von einer kleinen Begebenheit ausgehend, eine ganze Welt umreißt und immer wieder neue Variationen dieser Welt entstehen lässt. Damals war die kleine Begebenheit ein Tuch aus Kairo, das mit seinen Mustern immer wieder als Inspiration für die „Arabesken“ diente.

Verfrachtete man die Bilder, die Ulrike Dornis dieses Mal mitbrachte, in die Literatur, kann einem nur der Vergleich zur antiken Tragödie, zumindest zum Shakespearschen Drama einfallen. Auch wenn die Exposition „Kammerspiel mit Helden“ benannt wurde, was auf einen intimen Rahmen hinweist, so ist der (historische) Hintergrund, in dem die Vorlagen für die Bilder gesucht werden, eher Breitwandkino und großformatig.

Helden und Heldinnen (!) gibt es ja eine Menge. Auch falsche, glorifizierte. Sind Helden noch modern? Oder müssen wir immer auf die Geschichte oder die Mythen verweisen? Da fallen einem Perseus und Andromeda ein. Oder Faust und Gretchen und Ferdinand und Luise. Narziß und Echo vielleicht oder Pygmalion und Galatea. Es gibt tragische und solche, wo der Heldenmut glücklich ausging. Und wann ist man heute eigentlich ein Held?

Ulrike Dornis redet sich bis jetzt noch mit den ganz alten Geschichten heraus. Aber vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung?

Kreuzfahrer erobern Konstantinopel

Kreuzfahrer erobern Konstantinopel

Geboren im Jahr 1966 in Leipzig studiert Ulrike Dornis an der Hochschule ihrer Heimatstadt, die damals noch Hochschule für Graphik und Buchkunst hieß. Im Gespräch vor elf Jahren ließ Ulrike Dornis auf ihre Hochschule, auf „ihren“ Professor Arno Rink, nichts kommen. „Man muss doch hochhalten und verteidigen, woher man seine Kraft geholt hat“, erklärte sie und ließ kein Aber zu. Und langsam sickert es ja auch in den Westen der Republik, dass die Solidität, das künstlerische Handwerk und der Anspruch an den Hochschulen ostwärts der Elbe sich nicht nur auf „Ideologie“ und „Auftragskunst“ herunterbrechen lassen. Erfreulich, wenn Erkenntnis Raum greift…

Die Malerei auf Leinwand in verschiedenen Formaten, genannte Arabesken, hatten sich damals aus der Werkreihe „Stillleben“ entwickelt. Ging es darin um Wäsche und Schuhe oder Obst in es einzwängenden Plastiktüten, war der Ausgangs-, Dreh- und Angelpunkt ein Tuch, das die Künstlerin im Jahr 1993 in Kairo kaufte, als sie für zwei Jahre mit einem Stipendium des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) in der Millionenmetropole weilte.

„Das Bild von diesem Tuch hat sich in eine Richtung entwickelt, die nicht geplant, aber die mir recht war“, erinnerte sich Ulrike Dornis. Es sei ja immer so, dass die Bilder den nächsten Arbeitsschritt bestimmen und der Kopf hinterher hinkt.

Irgendwann aber waren die Muster und Farben, die Lichtverhältnisse und Ausschnitte dieses Stückchens Stoff ausgereizt. Das Experiment dauerte vier Jahre. Herausgekommen waren Perlen der Leichtigkeit. Präzise ungenau, verschleiert, wehend flüchtig. Assoziationslandschaften voll flirrenden Lebens. Und nun?

Dornis entschloss sich, wieder figurativ zu malen. Menschen. Der Klick-Laut dafür kam aus einem Cranach-Gemälde, auf dem jemand ein Gewand mit wunderschönen Borten trug, die doch sehr an ihre Arabesken erinnerten. Warum also nicht alte Arbeiten mit Neuem verknüpfen? Und wenn man genau hinschaut zu diesen Menschen – den Helden –  auf Ulrike Dornis` Arbeiten, dann sieht man im Hintergrund meist ein Stückchen Vorhang wehen, das sehr an die Schnörkel des arabischen Stoffmusters erinnert…

Portia verwundet sich

Portia verwundet sich

Anfangs allerdings war die Malerin nicht zufrieden mit den Ergebnissen ihres neuen Malsujets – da war zu viel Statik. Wie bei Cranach eben. Bis zum Hintergrund, der sich auf solchen Renaissance-Gemälden in die Weite der Landschaft öffnet, war sie noch gar nicht vorgedrungen. Für einen anderen Ansatz brauchte es einen zweiten „Klick“. Als sie das Bild „Die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer“ von Eugène Delacroix aus dem Jahr 1840 sah, entdeckte sie eine Zweiergruppe, die es ihr antat. Dem Rat eines Kollegen folgend, arbeitete sie ab jetzt mit Modellen, also ganz klassisch-akademisch. Da Emanzipation in den Jahrhunderten aber fortschritt, ist das Verhältnis von Malerin und Modellen ein ganz anderes: Die bekommen nämlich das historische Bild gezeigt. Meist eins mit vielen Emotionen oder Drama. Und daraus sollen sie dann eine Art Aufstellung machen. Es haben sich schon ganze Königsfamilien als historisches Ensemble aufgestellt und malen lassen.

Bei Ulrike Dornis erscheinen uns dann Judith und Holofernes; Sie wissen schon: diese alle betörende Frau im eigenen Auftrag für ihre Polis. Oder Aeneas und Achises, die aus dem brennenden Troja fliehen. Oder Portia, die Frau von Brutus, die sich selbst verletzt um ihrem Gemahl zu demonstrieren, was sie an Schmerzen aushalten kann. An anderer Stelle ringt Jakob mit dem Engel.

„Die Geschichte ist da“, sagt Ulrike Dornis, „und nun kann ich überprüfen, warum der Maler das so und nicht anders gemalt hat.“ Warum liegen die Beine ausgerechnet so? Antwort: Weil es anders anatomisch gar nicht ginge oder weil das Bild dann nicht wirkte. „Da spüre ich diesen Kollegen neben mir, weil ich versuche, Tradition und Handwerk zu verbinden.“ Das muss ein wunderbares Gefühl sein.

Herausgekommen sind sehr moderne Bilder. Weil die Frauen – die Modelle sind alle Frauen – aus unserer Zeit sind. Auch die kräftigsten Farben sind eher schüchtern, denn Unschärfen, Verwischung und Verschwommenheit sind die realen Konturen des Lebens. Keine Verführung zu Prunk und Feuerwerk. Geistiges und Emotionales bilden eine Melange, die nicht zu beschreiben, nur zu empfinden ist. Wir kennen die alte Geschichte – auf dem Bild jedoch agieren junge Menschen.

Ist es eine allgemeingültige Beziehung, die sie darstellen? Es gibt Bilder, die transportieren die Kraft der Stille. Oder des Entsetzens. Ihre Aktionen haben Sogwirkung und sind von beeindruckender Lebendigkeit. So hofft man beispielsweise, dass sich die Portia bei Ulrike Dornis die Waffe nicht in den Oberschenkel rammen wird! Als beschwichtigender Moment gibt es fast immer ein Stück Stoff mit Ornamenten im Hintergrund, die den Bildern Ruhe und etwas Tröstliches verleihen. So sind sie ein Kosmos der Augenblicke.

Noch bis zum 01. Oktober 2023 ist die Ausstellung im Galerieraum Theaterkeller zu sehen.

Samstags 15 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr. Besuch von Gruppen nach Absprache mit Renate Schmidt, 0581/76675 oder 0170/332 50 29.

Barbara Kaiser – 01. September 2023

Judith und Holofernes

 

 

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