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(GE)HEIM-TIPP

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Von einem einheimischen Chronisten wurde ich unlängst gefragt, ob ich unter meinen Gedichten und Texten auch solche mit deutlichem Bezug zu Uelzen habe. Sofort kam mir das Gedicht über den maskierten Vollmond überm Gudestor in den Sinn und jenes über „meinen“ Uelzener Hof neben der Fassade des ursprünglichen, alten. Besonders erinnere ich aber die vor acht Jahren an dieser Stelle zitierte Frage eines kleinen Mädchens, das sich bei der Mutter vergewisserte: „Berlin gehört aber nicht mehr zu Uelzen?“
Die Frage erscheint heute berechtigter als je zuvor. Mittlerweile hat sich unser Städtchen nämlich tatsächlich zu einer kleinen Weltstadt gemausert. Bei einer inneren Inventur bin ich auf Angehörige von 62 Ethnien aus 49 Staaten gekommen (Berliner, Rheinländer etc. nicht mitgezählt), die inzwischen hier heimisch geworden und mir auf unseren Straßen begegnet sind, die ich kennen und schätzen gelernt und etliche von ihnen liebgewonnen habe.
Als vor Wochen die erste ukrainische Familie den Gottesdienst meiner Kirchengemeinde besuchte, waren sogleich russischsprachige Mitglieder zur Stelle, die Verständigung untereinander zu ermöglichen.
Der in Moskau geborene Schriftsteller Wladimir Kaminer erlebte und erzählt Vergleichbares. Als er nach der Auflösung der Sowjetunion befürchtete, sein Buchprojekt mit Rezepten aus den unterschiedlichen Sowjetrepubliken nicht mehr verwirklichen zu können, traf er in Berlin viele Angehörige dieser Volksgruppen einträchtig beieinander an, die in der alten Heimat Feinde gewesen wären. Ein Hauch von verwirklichter Völkerfreundschaft. Und ein Gegenstück zum bemerkenswerten Ilse-Aichinger-Zitat: „…am Fremdesten sind, die sich am meisten zu Hause fühlen.“ Ich fühle mich zu Hause, ohne dabei Fremden gegenüber zu fremdeln. Belustigt bis erfreut nehmen Syrer, Albaner, Türken, Italiener, Iraner meinen Gruß in ihrer Sprache entgegen und erwidern ihn nicht selten mit einem fröhlichen „Moin!“. Uelzen ist „meine Stadt“. „Was soll ich woanders, wo’s mir nicht gefällt?“, ließ Heinrich Riethmüller den Bären Balu im Trickfilm „Das Dschungelbuch“ singen.
Mein (Ge)heim-Tipp: Wenn es so viele Menschen aus aller Herren und Damen Länder zu uns zieht oder verschlägt und mit ihnen eine große Auswahl an exotischer Küche, spare selbst das Fahrgeld, genieße die Fremde vor Ort und setze dabei, ob barft oder beschuht, sogar einen ökologisch verträglichen Fußabdruck vor die Tür.

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