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„Es hat mit Hingabe zu tun“

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Gisela Wichern

Gisela Wichern präsentiert im Kloster Ebstorf ihre Ikonenmalerei

Der Souvenierhändler kramte lange in seiner Kiste, bis er das kleine Bild zutage förderte. Das ist jetzt mehr als 15 Jahre her; und seit diesem Besuch der Meteora-Klöster in der Thessalischen Ebene Griechenlands wacht die kleine Ikone der Heiligen Barbara über mein Tun am Schreibtisch. Ich hatte sie damals gekauft, weil sie meinem Namen gewidmet ist, ihr Anblick beruhigt und weil es ja nie schadet, wenn jemand auf einen aufpasst.

Kurz danach lernte ich Ulrike Räke aus Eddelstorf kennen, die zu einer Ikonenausstellung in ihr Haus einlud. Dort erfuhren die Zuhörer, dass sich Eigelb mit Erdpigmenten „tausendmal besser als Acrylfarbe“ mischt und hält, dass die Bilder eine „Werbung für den Glauben“ sind und daran erinnern, dass heutige Werbegrafiker wohl ihr Handwerk bei den alten Ikonenmalern studierten: „Auch sie benutzen klare Farben und klare Bilder“. Auf die Frage, was ihr, Ulrike Räke, diese Malerei bedeute, kam die Antwort sofort: „Die Bilder sind Ruhe und sie geben Ruhe.“

So ähnlich hört man es nun auch von Gisela Wichern, die ihre Ikonen bis Ende August in der Propsteihalle des Klosters Ebstorf ausstellen wird. Für die 65-Jährige aus Sittensen war es ein recht langer Weg, der für die 21-jährige junge Frau damit begann, dass sie über die Spiritualität in der Ostkirche las. „Das hat mich fasziniert“, bekennt sie bis heute, und es sei „der Türöffner gewesen“. Diese Religiosität habe einen „ganz anderen Tiefgang“.

Man will ihr zustimmen. Nicht erst, seit der Kirche, der Katholischen und der Protestantischen, scharenweise die Mitglieder davon laufen… Aber das wäre ein anderes Thema.

Ikonenmalerei produziert seit über 1500 Jahre Geschichten, die von den Heiligen und Engeln erzählen und Bilder des Glaubens sind. Ikone – das Wort vom griechischen „ikóna“, das Bild oder Abbild meint. Im Gegensatz zu „idolo“, das Trugbild und Traumbild bedeutet. Damit wäre sprachgeschichtlich nebenbei geklärt, was die vielen vermeintlichen Idole, die heutigen Popstars und Sternchen auf den roten Teppichen dieser Welt, sind: Trugbilder!

Man muss sich überhaupt nicht mit allen theologischen Feinheiten auskennen, man kann die Bilder mit dem leuchtenden Hintergrund aus Blattgold – das göttliche Licht symbolisierend – auf sich wirken lassen. Gisela Wichern ist eigentlich gelernte technische Zeichnerin  (Zusatzausbildung Grafik). Aber mit Mitte 30 nahm sie an einem Ikonenmalkurs teil, nachdem sie den Artikel einer Malerin gelesen hatte, in dem die erläuterte, wie sie zur Ikonenmalerei kam. Es war wieder so eine Initialzündung wie mit Anfang 20. Gemalt werden Ikonen auf Holzplatten. Zehn feine Schichten Kreide werden zur Glättung des Untergrunds aufgetragen. Jede Schicht wird geschliffen und muss stundenlang trocknen, bevor die nächste folgt.

Gisela Wichern ist sich sicher: eine Ikone ist das geschriebene Wort Gottes als Bild. Was da von den Römischen Kaiserporträts und Ägyptischer Mumienmalerei herkommt, fand in die Katakombenmalerei Eingang, bis zur Ikonenmalerei in Kleinasien. Von Byzanz (oder Oströmisches Reich: 395 bis 1453) aus verbreitete sich das Handwerk nach Russland, Griechenland und den Balkan; wir sprechen hier von der Zeit zwischen dem ersten und dritten Jahrhundert (Rom/Ägypten) und dem sechsten bis 15. Jahrhundert.

Ikonen sind die Comics der Vergangenheit, weil sich ein Bild nachdrücklicher einer Mehrheit mitteilt. Heute ist es eher leidvolle Erfahrung, was mit Bildern, die zu fälschen sind, gemacht wird und dass nicht mehr so viele (Jugendliche) Tausendseiter lesen. Aber damals war die Bildermalerei dem Analphabetismus der Mehrheit des Volkes geschuldet. An der Religion jedoch sollte das Volk teilhaben, auch ohne lesen zu können.

Eigentlich hätten die Ikonen auch nichts mit Kunst zu tun, sagt Gisela Wichern. „Es ist Handwerk und eine Form des Gebets“ Und: „Es hat mit Hingabe zu tun.“. So steht man in der Propsteihalle vor den Bildern und kann mit ihnen sprechen: Mit Daniel in der Löwengrube, dem Gott einen Engel schickte. Oder mit Maria, der der Engel verkündet, dass sie den Heiland empfangen wird. Dazu sagte Gisela Wichern, die ihre Gedanken beim Malen sortiert und so manche Erkenntnis gewinnt: „Für mich ist nicht der Engel das Wunder, sondern dass Maria `ja` gesagt hat!“ Man stelle sich vor, Maria hätte `nein` gesagt! Wenn eine Frau heutzutage `nein` sagt, kann ein Mann gewaltigen Ärger kriegen, akzeptiert er es nicht…

Eines jedoch ist wahr: Die Bilder entschleunigen. Ganz gleich, ob man selber religiös ist und diesen Hintergrund präferiert oder nicht. Und wenn auf der Ikone, die den Besucher gleich am Eingang begrüßt, Jesus mit „Pax“ grüßt, dann will man doch zustimmen. Oder?

Bis zum 20. August 2023 ist die Ausstellung in der Propsteihalle des Klosters Ebstorf täglich außer montags von 10:00 Uhr (sonntags 14:00 Uhr) bis 17:00 Uhr geöffnet.

Barbara Kaiser – 01. Juli 20023