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Feuilleton News

Ein Plus an Hörgenuss

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Bei „Orgel plus“ musizierten Erik Matz und Fabian Zocher im vorletzten St.-Marien-Sommerkonzert

Für die Paarung, wie sie im achten St.-Marien-Sommerkonzert auf dem Programm stand, habe ich gewöhnlich die Rezensionen darüber wie folgt eröffnet: Es kann gar nicht sein, dass die Engel, wie behauptet, Harfenspieler sind. Schon wer sie in Goethes Faust-Prolog donnern hört, kann sich dazu eigentlich nur eine Orgel und eine Bachtrompete vorstellen… Und warum sollte man drum herumreden, dieser Meinung bin ich immer noch. So es diese Wesen, die Botschafter zwischen Gott und Mensch, denn geben sollte.

Unter dem Titel „Orgel plus“ musizierten im vorletzten Sommerkonzert Erik Matz und Fabian Zocher. Keinesfalls darf man diesen Trompeter nur als „Plus“, also Anhängsel oder Aufwertung des Orgelspielers, begreifen. Der im Jahr 1986 in Erfurt Geborene ist ein umtriebiger Musiker (in zahllosen Ensembles präsent und als Solist) und gelernter Orgelbauer. Die Zusammenarbeit mit dem Kantor kam zustande, als er vor einem halben Jahr die große Orgel in St. Marien mit restaurierte. Sein Instrument, die klassische Trompete, hat Zocher in Leipzig studiert, seitdem ist er nahezu ununterbrochen unterwegs.

Orgel und Trompete – das ist Programm für sich. Dazu Bach und Zeitgenossen und fertig ist eine musikalische Stunde, die immer Liebhaber findet. Erik Matz stellte noch einen Mendelssohn-Bartholdy dazu, weil dessen Orgelsonaten nun einmal zu seinem Repertoire gehören. Außerdem gab es ein Quäntchen Neue Musik.

Fabian Zocher (Trompete) und Erik-Matz (Orgel)

Fabian Zocher (Trompete) und Erik-Matz (Orgel)

Fabian Zocher blies die Trompeten, es waren vier an der Zahl, mit (meist) sauberen Ansätzen und sogar im Largo-Legato gediegen und mit inniger Noblesse. Auch die Höhen ließen einen nicht erschrecken, es quäkte nirgendwo. Dem Spiel der beiden Solisten kam nie die Balance zwischen Ausdruck und Genauigkeit und auch nicht, wo angebracht, der schwärmerische Tonfall abhanden. Ohne Effekthascherei, wozu die Partituren auf den Pulten Gelegenheit durchaus gegeben hätten, und ohne Anflug von Anstrengung erklang das Repertoire zwischen Frühbarock und Gegenwart.

Den Anfang machte eine Sonata in B-Dur von Tommaso Albinoni, dem Johann Sebastian Bachs „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ folgte. Nebenbei: In Leipzig feiern sie in diesem Jahr schon wieder ihren Thomaskantor, der bekam nämlich vor genau 300 Jahren diese Stelle zugesprochen, war aber nur zweite Wahl. Und so richtig warm geworden sind Bürger und Musiker wohl auch nicht miteinander.

Felix Mendelssohn-Bartholdys Orgelsonate Nr. 2 c-moll op. 65 gelang Erik Matz wunderbar. Wuchtig bis zur Dissonanz, aus der sich eine schöne, klare Fuge erhebt. Derlei  romantische Überwältigung kam im diesjährigen Sommerkonzertprogramm ja ein bisschen kurz, was schade ist.

Johann Gottfried Walthers musikalische Variante von „Ein feste Burg ist unser Gott“ dürfte  Luther gefallen haben, weil diese Überzeugung eine Fanfare sein muss. Bei Georg Friedrich Händels „Voluntary in C“ dachte man an seine Feuerwerksmusik und war zufrieden.

Zwiespältiger hinterließ einen „Sonnenhymnus“ von Max Drischner (1891 bis 1971). War das Spätromantik oder Größenwahn? Denn zu erfahren ist: Die „nordischen“ Orgelwerke des Komponisten waren auch zur Ausgestaltung nationalsozialistischer Feiern gedacht, im Jahr 1933 komponierte er euphorische Variationen auf das „Deutschlandlied“. „Sonnenhymnus“ wurde zwar 1924 geschrieben, ist beeindruckend protzig als „Passacaglia in E-Dur“ kaschiert, einen Zusammenhang zu oben Genanntem kann man aber nicht wegdenken.

Seinen ganz großen Auftritt bekam der Trompeter mit Domenico Gabrieli und dessen Trumpet Tune (Con mot – Andante – Allegretto – Allegro). Das war der ganze barocke Glanz,  Spiel mit einer unerschöpflichen Kraft und Ausstrahlung. Sein Begleiter an der Orgel erwies sich als einer der rücksichtsvollen und klugen. Tempo, Klarheit und Durchsichtigkeit bestimmten das Musizieren der beiden Instrumentalisten. Mit konsequenter Energie gelang Lyrisches wie Monumentales. Die zahlreichen Zuhörer erklatschten sich eine Zugabe und hatten ihr Kommen nicht zu bereuen.

Am kommenden Samstag, 26. August 2023, steht das neunte und letzte Konzert dieses Sommers auf dem Programm. Zu Gast sein wird das Ensemble „Embrassment“ aus Leipzig, gern gesehene Gäste in St. Marien.

Barbara Kaiser- 20. August 2023