Der Schreibtisch von Pastorin Iris Junge
teilen
3 Fragen an Pastorin Iris Junge
Was darf auf meinem Schreibtisch auf keinen Fall fehlen?
„Neben meiner To-do-Liste eine Kerze und eine Kanne Tee.“
Mein Schreibtisch ist für mich …
„… der Ort, an dem ich mich in meiner Wohnung am meisten aufhalte.“
Wenn ich einen Wunsch frei hätte: Was müsste auf meinem Schreibtisch zu finden sein?
„Ein Schalter, um die Höhe meines Schreibtischs so zu verstellen, dass ich auch im Stehen arbeiten kann.“
Gegenüber der St. Marienkirche, einmal quer über den Hof zwischen Propstei und Kirchenbüro, ein paar Treppenstufen hoch – geschützt von einer dicken, gepolsterten Tür führt der nächste Schritt in das Büro von Iris Junge. Die Pastorin der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Marien kann ihren vornehmlich sonntäglichen Arbeitsplatz, die große Backsteinkirche, von ihrem Zimmer aus nicht sehen. Aber hier sieht sie viele Menschen, führt Gespräche, durchdenkt den Gottesdienst, plant die Projekte und Arbeiten, die das Gemeindeleben lebendig gestalten und organisieren.
Ein warmer, freundlicher Raum unter dem Dach der um 1300 erbauten, mächtig wirkenden Propstei. Helles Holz, ein ovaler Tisch mit Kerze, Stövchen und Stiften, Regale mit Büchern und Papieren, Fenster an zwei Seiten, so dass selbst bei Schmuddelwetter Licht in den Raum fällt. Einladend. Und betriebsam. Darauf deutet der große Eckschreibtisch vor dem Bücherregal unmissverständlich hin: Ablagesysteme mit Papieren und Mappen, ein großer Bildschirm auf der Ecke, eine Karte von Kanada, Telefone, Handy.
Im Februar ist Iris Junge sechs Jahre in Uelzen im Amt. Aufgewachsen in einem kleinen Ort bei Bremerhaven war sie die erste in ihrer Familie, die Abi gemacht und studiert hat. In Berlin in den 1980ern. „Berlin war damals nicht gerade die Hochburg für Theologen“, erinnert sie sich, „aber ich wollte raus und war auf der Suche nach einem Stück Freiheit“. Das „Bewegte“ und „Freie“ gehört zu ihrer Biografie. Vor dem Studium ein Jahr in Oslo bei einer deutschsprachigen Gemeinde, ein paar Semester in Heidelberg, nach dem Vikariat vier Jahre als Moderatorin und Redakteurin für kirchliche Radiosendungen, … „In der Zeit waren Stellen für Pastoren recht rar. Und Pastorinnen gab es erst seit den 70ern. So konnte ich die Zeit nutzen und nebenher in einer Gemeinde arbeiten“. Es folgten Pastorinnen-Stellen im ländlichen Raum.
Erinnerungen von hier und dort finden sich an den Wänden in ihrem Büro: Ein Bild der vorherigen Wirkungsstätte in Moisburg, eines zeigt sie mit Mitgliedern der Partnergemeinde in Südafrika, ein weiteres die St. Marien-Kirche und eine Radierung mit einem mystischen Vogelwesen aus Kanada erinnert an den letzten Sommer, als Junge drei Monate unterwegs war, um mit deutschen und kanadischen Kirchengemeinden in den Austausch zu kommen. Überhaupt scheint das Thema Austausch als Impuls wegweisend zu sein. Symbolisch dafür steht auch ein großer, grün-weißer Becher, auf dem das merkwürdige Wort „Skravlekopp“ steht. Iris Junge lacht. Den habe sie aus Oslo mitgebracht. In einem Café dort könne man sich normale Becher für den Kaffee nehmen – oder diese grün-weißen. Skravlekopp beschreibt in Norwegen eine Bewegung für Großzügigkeit, Inklusion und Begegnungen. Und der Becher gilt als symbolische Einladung zum Gespräch.
Eine große Thermoskanne, eine kleine, verspiegelte Discokugel unter der Lampe und zwei kleine Boxen sorgen auf dem Schreibtisch für Muße während der Gedankenspiele. „Ich höre gerne klassische Musik“, erzählt Pastorin Junge, „mitunter auch gerne mal Peter Fox und Seed“. Sie lächelt, vielleicht verschmitzt: „Ich wollte nicht, dass das hier so eine fromme Ecke wird“.
Passend für Pastorin Junge. Die 57-jährige Theologin lacht viel und gerne, spricht dann darüber, dass, wer das Leben ernst nehmen will, auch die Endlichkeit ernst nehmen muss, strahlt bei dem Erinnern daran, dass ihr in Gesprächen so viel Vertrauen entgegengebracht wird, berichtet vom Arbeitsalltag, bei dem es eben nur hin und wieder eine Sonntagsruhe gäbe, was alles andere als familienfreundlich sei… Mit Leib und Seele dabei, gelingt ihr der Spagat zwischen Tradition und zeitgeistlicher Weltlichkeit. Und dazu wiederum passt die Postkarte mit dem Filmpriester Don Camillo ziemlich gut, der Spaghetti genießend den Arbeitsraum der Uelzener Pastorin vom Regal aus im Blick behält. [Kathrin Marie Arlt]