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Der Liebe Freud und Leid

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Das 8. St.-Marien-Sommerkonzert war ein Liederabend

„Es ist was es ist“, dichtete Erich Fried über die Liebe. Ob Unsinn, Berechnung, Unglück oder Schmerz. Auch lächerlich, leichtsinnig und unmöglich… „Es ist was es ist“. Mit diesem weiten Feld (Fontane) setzten sich im 8. St.-Marien-Sommerkonzert auch Heike Hallaschka und Erik Matz auseinander. Es war – ungewöhnlich genug für das Format Sommerkonzert – ein Liederabend.

Auf dem Programm standen die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner (1813 bis 1883), vertonte Gedichte aus der Feder von Albert Sergel des finnischen Komponisten Yrjö Kilpinen (1892 bis 1959) und eine Auswahl der 61 Folk Songs von Benjamin Britten (1913 bis 1976).

Für Mathilde Wesendonck war die Liebe ohne Zweifel Qual, denn sie schrieb Verse auf, die Zeugnisse einer verhinderten Leidenschaft, von Verzicht sind, weil auf beiden Seiten der jeweilige Ehegatte im Wege stand. Richard Wagner wird das nicht so eng gesehen haben, war er doch sowieso der Meinung, dass jedem Künstler eine Muse zustände. Und in diesem Falle war eben Mathilde bei der Hand – die obendrein dichten konnte. Wenn man heutzutage die Verse einer sich ungeliebt fühlenden Frau an der Seite eines nachlässigen Gatten und ihr Sehnen nach dem vermeintlich besseren Geliebten noch Dichtkunst nennen will. Es ist eine recht schwülstige Angelegenheit, wie wir wissen. Todessehnende, romantische Texte, die dem Komponisten jedoch recht waren, denn er ging gerade auf Tristans Spur.

Heike Hallaschka lebte diese Klagen ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Ihre Stimme blieb souverän in den Höhen, stimmgewaltig auch, im Leisen genauso ausdrucksstark. Textverständlich sowieso. Und so verharrte das Publikum mit ihr an der Seite dessen, der „wahrhaft leidet“ und „sich in Schweigens Dunkel“ hüllt.

Erfrischend anders die Verszeilen, denen der Finne Kilpinen Noten anheim gab. Obgleich auch sie voller Idyllen sind, kommen sie leichtfüßig à la Heinrich Heine daher. In ihnen ist die Natur nicht nur ein Bild, das für die eigenen Schmerzen benutzt wird und das sich um das leidende Ich dreht, sondern es eröffnet dem Zuhörer eine ganze, meist heitere Welt. „Mein Herz, der wilde Rosenstrauch stand lichterloh in Blüten…“ Auch sind bei Kilpinen Gesang und Musik zwei eigenständige Angelegenheiten und nicht bloße Begleitung. Die Noten glitzern und rauschen und jubeln – während der Gesang die Zustandsbeschreibung dafür liefert.

Dass alle Liedtexte vorher von Almut Roeßler angemessen rezitiert wurden, war mitnichten Misstrauensvotum gegen Heike Hallaschka und ihre Gesangsdeutlichkeit. Vor allem bei den fremdsprachigen Liedern, den Folk Songs, erwies sich dieses Konzept als durchdacht nützlich.

So gab es die Erzählung über einen König, der zur Jagd reitet und eine schöne Schäferin zu verführen trachtet oder einen Jüngling, der „foolish“ genug ist, die angetragene Liebe des Mädchens auszuschlagen, weil er meinte, es müsse sich anders anfühlen. Er erklangen „Greensleeves“, die am Herzen rührten durch Hallaschkas Interpretation, und die Klage eines Mannes, der ein böses Weib freite, dem aber der liebe Gott nun auch nicht mehr helfen kann.

Am Flügel saß Erik Matz, und er war meist der einfühlsame Begleiter, den diese unterschiedlichen Lieder brauchten. Am Ende durfte er gar seine Stimme für einen Zwiegesang leihen und begründen, warum der Soldat das Mädchen doch lieber nicht zu ehelichen gedachte.

Insgesamt war dieses 8. St.-Marien-Sommerkonzert eine ungewöhnliche, jedoch interessante Sache. Mit Akteuren, die sich ganz in den Dienst der Sache stellten. Am kommenden Samstag, 28. August 2021, ist die Zeit dieser Reihe schon wieder vorbei. Zu Gast sind dann die Barockposaunen  „Opus 4“ aus Leipzig, die musikalisch zwischen „Bach und Gershwin“ zu reisen vorhaben. 16.45 Uhr wie immer, das letzte Mal für 2021.

Barbara Kaiser – 22. August 2021