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Dem Abenteuer auf der Spur

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Rainer Schimmel: Mit langen Haaren und fast ohne Geld durch Amerika

War es jugendlicher Leichtsinn? War es Naivität? Oder war es ganz einfach nur der Mut, einmal etwas zu wagen, ohne zu wissen, wie es ausgeht? Als sich die beiden Uelzener Freunde Karsten Schmidt und Rainer Schimmel 1970 spontan überlegen, für einige Monate einmal quer durch die USA zu reisen, ist die Welt noch eine andere. Kein Handy, geschweige denn ein Smartphone, dafür aber eine Schmalfilmkamera, kein Navigationssystem sondern nur zwei einfache Landkarten, und kaum Geld in der Tasche: Das Abenteuer kann beginnen…
Als Rainer Schimmel sich vor Jahren noch einmal die alten Filme anschaut, beschließt er, diese in bester Qualität digitalisieren zu lassen. Es gelingt ihm, aus diesem Film einzelne Fotos herauszuziehen. Das ist die Geburtsstunde der Idee, aus dem Bildmaterial und den kurzen Notizen von 1971 ein Buch zu machen. „Mit Greyhound, langen Haaren und fast ohne Geld durch Amerika – eine abenteuerliche Reise in eine neue Welt im Jahr 1971“, so lautet der Titel seines gut 200 Seiten starken Buches, das jetzt erschienen ist.

Die USA, das Sehnsuchtsland vieler junger Menschen in Europa, locken mit Städten wie New York, Chicago und San Francisco, mit den Niagara-Wasserfällen, der Wüste und den Nationalparks im Westen. Gerade einmal 18 und 19 Jahre alt sind die beiden unternehmungslustigen Uelzener, als sie in New York landen. In zwei alten Rucksäcken haben sie ihr Gepäck dabei. Ein 90-Mark-Zelt und die Schlafsäcke nehmen einen großen Raum ein, da bleibt nicht mehr viel Platz für anderes.

Karsten Schmidt und Rainer Schimmel mit dem soeben erschienenen Buch.
Foto: Dirk Marwede

Dass ihr Trip durch die USA nicht immer reibungslos verlaufen wird, zeigt schon der erste Tag. Sprachschwierigkeiten sind da fast noch das geringste Problem. Ewige Kontrollen am Flughafen, keine Orientierung, kein Schlafplatz für die Nacht. Karsten Schmidt und Rainer Schimmel sind bereits, nach gerade einmal 24 Stunden, das erste Mal am Limit. Doch dann passiert ihnen etwas, was sie während ihrer ganzen dreimonatigen Reise immer wieder erleben werden. Sie stoßen auf eine nahezu uneingeschränkte Hilfsbereitschaft der Amerikaner. Mit ihrem „See-America-Ticket“ von „Greyhound“ in der Tasche verlassen sie die Metropole New York in Richtung Westen, immer das Ziel San Francisco und den Pazifik vor Augen.
Sie wollen keine Sehenswürdigkeiten „abklappern“, sie lassen sich treiben und dabei haben sie eine unerwartete Hilfe mit im Gepäck: Eine mit Unterstützung vieler Bekannter aus Uelzen zusammengestellte Liste mit Namen, wo sie eventuell übernachten können sowie ein Buch, in dem alle Lions-Club-Präsidenten der USA verzeichnet sind. Schon bald entwickeln die beiden USA-Reisenden eine gewisse Routine. Kommen sie in einer Stadt an, wird erst einmal der Kontakt mit dem dortigen Lions-Club-Präsidenten aufgenommen. Die erweisen sich als äußerst gastfreundlich und so können Karsten Schmidt und Rainer Schimmel oft bei ihnen und deren Familien übernachten. So lernen sie Land und Leute kennen, erleben typisch amerikanischen Alltag und werden zu so manch einem Ausflug oder einer Stadtrundfahrt eingeladen. Laramie, Salt Lake City und Reno laden zu Stopps ein, ehe San Francisco erreicht ist. Mückenschwärme machen ihnen ebenso zu schaffen wie die Müdigkeit und das Wissen, dass sie pro Tag gerade einmal fünf Dollar zur Verfügung haben. Der Besuch bei der Familie Rowe wird ebenso wie die Stippvisite ins Disneyland zu einem Highlight der Reise. Im Grand Canyon erwartet sie ihr vielleicht größtes Abenteuer auf einem nicht enden wollenden Fußmarsch bei sengender Hitze. New Orleans, Dallas, Miami, Key West, das NASA-Gelände von Cape Kennedy und Washington DC sind weitere Stationen ihrer abenteuerlichen Reise, ehe sich der Kreis in New York wieder schließt.

„Mit Greyhound, langen Haaren und fast ohne Geld durch Amerika – eine abenteuerliche Reise in eine neue Welt im Jahr 1971“ ist mehr als ein einfacher Reisebericht durch die USA. Das Buch schildert das Lebensgefühl einer ganzen Generation, die sich in einer Art Aufbruchstimmung befindet, die nicht ausschließlich auf Sicherheit setzt, sondern das Ungewisse wagt. Flower-Power, den Daumen im Wind, Freiheit spüren: Karsten Schmidt und Rainer Schimmel haben all das erlebt. Rund 160 (Farb-) Fotos bebildern dieses lesenswerte Buch, das bei BoD erschienen ist.

[Dirk Marwede]

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