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St.-Marien-Sommerkonzerte starteten mit Ensemble Capella Nova und „Leipziger Allerley“

Der Gemüseeintopf, der traditionell Leipziger Allerlei genannt wird, besteht aus Zutaten, die dem Geldbeutel des Kochs entsprechen. Erbsen, Karotten, Spargel, Sellerie, Grießklößchen oder gar Flusskrebsschwänze gab es sicherlich nur im Patrizierhaushalt; das Prekariat der Stadt musste sich mit den Resten begnügen oder gar mit den Abfällen der Begüterten. Wenn ein Ensemble sein Musikprogramm „Leipziger Allerley“ nennt, darf man also davon ausgehen, dass Einwohner der sächsischen Metropole und deren kompositorische Werke auf den Notenpulten liegen. Carsten Krüger, der Leiter des Chores Capella Nova (SELK Niedersachsen-Süd), versicherte obendrein, dass es in seiner Gemüse-Suppe nicht nur das Zusammengekehrte, sondern auch die Delikatesse Flussschwanzkrebse gäbe.

Die St.-Marien-Sommerkonzerte haben begonnen, und auf das Publikum wartete bereits am ersten Tag ein schönes Programm: „Glaubenssätze und Psalmen, veredelt durch hervorragende Chormusik“, nannte es Kantor Erik Matz in seinen Begrüßungsworten und freute sich zudem sehr über die rund 100 Gäste, die in die Hauptkirche der Stadt gefunden hatten. Er versprach A- capella-Musik ohne Schnickschnack. Musik, die derzeit mit Hilfe von „Chordesign“ leider oft überfrachtet wird mit Licht, Bewegung oder zusätzlichen Bildern. Weil sich keiner mehr zutraut, dem Zuschauer/Zuhörer nur die pure Musik darzubieten, sondern glaubt, mit zusätzlichen Reizen verführen zu müssen. So ist das in der multimedialen Welt – und es gestaltet sich nicht immer zum Vorteil. Eher entsteht ja oft der Eindruck, man wolle von schlechtem Gesang ablenken.

Diese Sorge bestand nun beim Auftritt von Capella Nova ganz und gar nicht. Die rund 20 Sängerinnen und Sänger präsentierten sich als eine vielstimmige, besinnlich-besinnende Entschlossenheit. Im Glauben fest. Sie interpretierten Johann Sebastian Bachs „Ich lasse dich nicht“ voller Freude und den Glauben gestaltend. Max Regers „Der Mensch lebt und besteht nur eine kleine Zeit“ kann nur anrührend und sehr innig genannt werden.

Es erklang Musik von mehreren Thomaskantoren wie Seth Calvisius, Johann Hermann Schein, Johann Kuhnau Johann Adam Hiller und Bach natürlich. Aber auch von Mendelssohn-Bartholdy, dem Gründer des Königlichen Konservatoriums, und Max Reger, dem Universitätsmusikdirektor und Professor ebendort.

Ob sie alle immer glücklich waren in Leipzig? Reger beispielweise hatte ein recht distanziertes Verhältnis zur Stadt und scheute sich auch nicht, Streit mit Kollegen anzufangen. Ein Jahr vor seinem Tod zog er gar nach Jena um und pendelte lieber für seine Lehrveranstaltungen nach Leipzig. Außerdem war ihm das Orchester in Meiningen sowieso lieber als alles, was ihm Leipzig zu bieten in der Lage war… Dass er ausgerechnet in Leipzig sterben würde, wird ihm nicht Recht gewesen sein.

Aber ganz gleich, um welchen Komponisten es sich handelte – die Spanne schwang sich ja vom Frühbarock bis zur Romantik – das Ensemble sang beeindruckend textverständlich und ergab sich ganz den Versen der Partituren. Der Sopran, der zu Beginn in den Höhen und im Forte manchmal ein wenig schrill daherkam, legte das während der Konzertdauer ab. So war das Fugato des „Alleluja“ in Bachs „Lobet den Herrn“ reine Freude, der Schlusston saß. Und das „Amen“ in Johann Adam Hillers „Der Friede Gottes“ war von umwerfender Reinheit und Zartheit, ohne das kleinste zitternde Vibrato am Ende.

Es war ein schöner, ruhiger Auftakt für die (nun noch acht) St.-Marien-Sommerkonzerte. Am kommenden Samstag, 09. Juli 2022, ist die Sopranistin Julia Henning mit Instrumentalisten zu Gast. Es erklingt das ausgefallene Konzert aus der Passionszeit: „…der Himmel wird es fügen“. Um 16.45 Uhr, St. Marien.

Barbara Kaiser – 03. Juli 2022

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