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„Alles – in diesem einen Moment“

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David Wolkovitz ist bildender Künstler, stammt aus Israel und ist der Liebe wegen über den Umweg Asien und Australien in Uelzen gelandet – „einer perfekten Mischung aus Stadt und Dorf“, wie er findet. Hier, wo er „eine besondere Ruhe, wenn man sie braucht, und trotzdem immer etwas zu unternehmen“ findet, malt der 31-Jährige: großformatig, farbgewaltig und beeindruckend fotorealistisch. Janina Fuge sprach mit Wolkovitz, von dessen Wirken in Zukunft noch sicherlich viel zu hören sein wird.

Herr Wolkovitz, Sie malen fotorealistische Gemälde. Warum haben Sie sich für diese Technik entschieden?
Dafür gibt es zwei Gründe: einer betrifft das Geschäftliche, der andere meine Leidenschaft. Hinter Ersterem steht der hohe technische Anspruch und dass relativ wenige Künstler(innen) diese Technik beherrschen. Was weniger produziert wird, ist exklusiver und hat somit einen höheren Wert auf dem Markt. Ich wollte immer von meiner Kunst leben und möchte möglichst wertvolle Bilder malen, um aus dem Klischee des armen Künstlers ausbrechen zu können. Meine Leidenschaft für das Genre besteht darin, dass der Prozess des realistischen Malens mir so viel Freude bereitet, dass ich alles um mich herum – Zeit und Ort – vergesse. Der Schaffensprozess ist anstrengend, doch dieses Gefühl gibt mir viel Kraft zurück.

Bei Fotografie geht es immer auch um das Verhältnis von Schönheit und Wahrheit. Wie ist das bei Ihrer Malerei – sind Sie Künstler oder Beobachter?
Ich bin Künstler und Beobachter. Meiner Erfahrung nach muss ein Künstler unbedingt ein Beobachter sein, um auf die Welt reagieren zu können. „Kunst machen“ und „beobachten“ stehen für mich also in unmittelbarer Abhängigkeit zueinander.

Was eint die Momente, die Sie malen?
Alle halten sie einen Augenblick fest, das Leben in einem kurzen Moment, in dem es keine Vergangenheit oder Zukunft gibt. Denn diese beiden Dinge sind Konzepte – genau wie Geld oder Gott. Alles, was man hat, ist in diesem einen Moment. Und ich versuche mit meinen Bildern zu zeigen, was es bedeutet, sich auf diesen Moment zu konzentrieren und sich darin fallenzulassen. In diesen Momenten male ich die schönsten Dinge, die das Leben zu bieten hat: die Menschen, Licht und Natur.

An welche Momente erinnern Sie besonders gern?
Alle, die die Welt von Kindern zeigen. Denn Kindern gelingt es viel besser als uns Erwachsenen, sich in den Moment fallen zu lassen und unabhängig von gesellschaftlichen Anforderungen zu sein.
„Der Feind der Kunst ist die Abwesenheit von Beschränkungen und Verboten“ schreiben Sie (in Englisch) auf Ihrer Website. Was überwinden Sie, um kreativ zu sein?
Das ist sehr philosophisch: In dieser Welt gibt es viele Einschränkungen, die wir oft nicht wahrnehmen können oder wollen – unsere Sterblichkeit zum Beispiel. Wir alle werden irgendwann sterben und ich weiß, es klingt sehr düster. Aber es ist eine der wenigen Wahrheiten, derer sich die Menschheit sicher sein kann. Wenn wir nicht sterben könnten – würden wir das Leben wahrscheinlich als trivial empfinden. Doch durch diese Einschränkung, also die Gewissheit, dass die Zeit abläuft, weiß der Mensch, dass die begrenzte Zeit besonders genutzt werden sollte. Das gelingt uns nicht immer, aber im besten Fall ist es die Sterblichkeit, die in uns Leidenschaften weckt, den Anreiz bietet, unsere Erfahrungen weiterzugeben, und uns kreativ macht. Kunst dient schon seit jeher als Ausdrucksmedium für Vergänglichkeit und die Auseinandersetzung mit dem Tod.

Ist es eine besondere Herausforderung, als israelischer Künstler in Deutschland zu leben? Und wie schaffen Sie es, sich in Ihrem Wirken so frei zu machen von dem, was in diesem Land passiert ist?
Glücklicherweise hat man mich die antisemitische Vergangenheit in Deutschland noch nicht persönlich auf negative Art und Weise spüren lassen. Allerdings sieht man mir ja auch nicht an, dass ich der jüdischen Kultur angehöre. Die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland ist enorm und gibt mir eher ein beruhigendes Gefühl. Ich finde es wichtig, die Geschichte nicht zu verschweigen, damit wir weiter daraus lernen können. Wichtig bleibt aber auch, dass wir uns darauf konzentrieren, eine Gegenwart aufrecht zu erhalten oder sie in Teilen auch noch zu schaffen, in der alle ihren guten Platz finden können. In Israel ist Vergangenheitsbewältigung aber auch sehr präsent und deshalb war das für mich nicht so sehr neu oder ungewohnt, weshalb es mein Schaffen auch nicht weiter beeinflusst hat.
Grundsätzlich ist aber eine Herausforderung für mich, dass ich Israel vermisse, obwohl gerade da die Politik nicht optimal verläuft. Und in Deutschland ist mir genauso wie in jedem anderem Land wichtig, die unterschiedlichsten Menschen kennenzulernen und Natur-Szenen zu beobachten. Es gibt natürlich Unterschiede zwischen den Lebensumständen von Menschen in Israel, Deutschland, Indien oder Australien – ohne diese Unterschiede bewerten zu wollen. Doch in einem sind wir uns alle sehr ähnlich: erfinderisch werden, um die Einschränkungen, mit denen wir leben, so angenehm wie möglich zu gestalten.

 

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