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Mit Glanz

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St.-Marien-Sommerkonzertreihe mit Besucherrekordbilanz und „emBRASSment“ aus Leipzig beendet

Es waren rund 200 Zuhörer gekommen zum neunten, dem letzten St.-Marien-Sommerkonzert; von der Empore ließ sich das ziemlich gut ermitteln. Damit darf man getrost 1300 Besucher insgesamt summieren für diese Reihe, die ein Erfolg genannt werden kann. Ich erinnere mich an viel spärlichere Besucherzahlen – aber diese Zeiten scheinen vorüber. Es gab also einen großen Dank an alle ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und an Kantor Erik Matz, ehe es losging:

Eigentlich kommen ja nur bei Wagner die Bläser in großen Mengen nicht zu kurz, weshalb der gleich mal einen Deckel über seinem Orchester installieren musste, damit die Sänger auch eine Chance zur Wahrnehmung haben. Vielleicht ist die ansonsten eher stiefmütterliche Behandlung ein Grund dafür, dass es in den vergangenen Jahren immer mehr Blechbläser jenseits des Jazz  versuchten und wagten, ihre Instrumente – quer durch alle Musikliteratur – populärer zu machen und sich zu kleinen Ensembles zusammenschlossen.

Diejenigen fünf Musiker, die im letzten St.-Marien-Konzert aufspielten und die es schon seit zwei Jahrzehnten gibt, entwaffnen sowieso jedes Gegenargument! „emBRASSment“ aus Leipzig – das heißt ein Quintett, das die hohe Kunst des Blechs beherrscht, als gäbe es den Schrecken eines jeden Orchesters in Form von quiekenden Hörnern oder hysterischen Trompeten nicht! Bei diesen Herren ist kein Ton eingetrübt, kein Hauch rau. Glanz in treffenden Nuancen und Farben, Eleganz und Lakonik im Ausdruck.

Die Stimmungs- und Klangwechsel zwischen den Barocknoten eines Johann Gottfried Reiche, Johann Hermann Schein und Johann Sebastian Bach, Neuer Musik und „Prinzen“-Partituren machten den Abend musikalisch aufregend. Die Akteure bewegten sich souverän in allen Töne: dem schmetternd-fröhlichen Blechlärm in Dur ebenso wie im getragenen Moderato. Obendrein gaben sie das Legato zum Schluchzen schön und boten Vitalität durch Kontur und Gestik, von Ideen überquellende Arrangements.

„Musikstadt Leipzig“ hatten Lukas Stolz, Christian Scholz (Trompeten), Lars Proxa (Posaune), Denny Tillentz (Horn) und Nikolai Kähler (Tuba und Moderation) ihr Programm genannt. Zudem stellten sie ihre Stadt, die nicht nur Musik zu exportieren hat, vor. Zwischen dem ehemals größten Kopfbahnhof, der heute eher ein Einkaufstempel ist, der Neuen Leipziger Seenlandschaft, die sich dem Braunkohleabbau verdankt und der Gründung der SPD, die sich in Friedrich-Ebert- und Ferdinand-Lassalle-Straßen niederschlägt. Na, eine Wilhelm-Liebknecht-Straße wird es auch geben, wenn sie der Bildersturm zu Wendezeiten nicht hinwegfegte. Und sein Sohn Karl Liebknecht wurde im Jahr 1871 in der Thomaskirche getauft, Taufpaten: Karl Marx und Friedrich Engels. Allerdings in Abwesenheit, wie man sich weiß.

Aber nicht nur historisch zeigten sich die Blechbläser mitteilungsbedürftig, sie vermochten auch ihre Noten treffend einzuführen. Die Barocknoten, die Turmsonate Nr. 10, eine Suite und die Kunst der Fuge Nr. 1, überzeugten das Publikum sowieso, denn bei aller polyphonischen Turbulenz, kam das Quintett immer unter einen Hut beim Fine-Ton.

Von Olav Kröger (*1965) erklang eine Kurzfassung des Wagnerschen „Rings“. Wagner hatte sich ja eine recht aufregende Zeit für seine Geburt in Leipzig erwählt: Das Jahr der Völkerschlacht 1813. Sein Kollege Kröger brach die 14 Stunden Ringerzählung herunter auf vielleicht vier Minuten; nicht ohne den Walkürenritt wohlgemerkt. Der Schlussakkord ist einer in Dur – dabei sind am Ende fast alle tot.

Rolf von Nordenskjöld schrieb eine „Home-Suite-Home“. Ob das Heim auch „sweet“ ist, wenn man es mit einer Katze teilt, muss jeder selber wissen, aber die „Dancing Cat“  daraus trieb es nicht so toll. Das Musikstück war eine moderate, virtuose Melange im Fünfvierteltakt – vier Pfoten, ein Schwanz.

Am Schluss gab es natürlich das Medley mit fünf Titeln der „Prinzen“, dem bekanntesten Markenzeichen der Stadt. Außer Bach natürlich. Und so swingte, tirilierte und schmatzte das Ensemble sich dem Ende entgegen, immer in der Gewissheit, dass hier fünf Musiker zusammen musizieren, die auf einen kollektiven Mehrwert aus sind, niemals auf Solo-Profilierung. Die Gäste aus Sachsen bewegten sich unaufgeregt und souverän in allen Partituren. Dafür gab es am Ende viel Beifall. – Nun ist auch diese Konzertreihe vorüber, der Sommer wahrscheinlich vorbei. Freuen wir uns auf das nächste Jahr.

Barbara Kaiser -27. August 2023