Bach, Beethoven, Liszt und Brahms!
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Viel Geist und Gespür: Das zweite Akademiekonzert der Sommerakademie
Was für eine Energie! Selbst im Forte nie zu laut, jedoch von einer Intensität, die von innen kommt. So präsentierte sich im zweiten Akademiekonzert der Sommerakademie Clara Schina (Deutschland/28) mit ihrer Interpretation des „Ricordanza“ aus Franz Liszts „Ètudes d`exécution transcendante“. Die neunte von 12 Etüden fordert feine Fingerarbeit für die wilden und sanften Kadenzen, Clara Schina ließ es perlen und schwingen. Mit langsam-melancholische Stücken hat man es vor Publikum ja schwerer, als wenn man – gerade von Liszt – ein Renommierstück wählte, aber die junge Künstlerin ließ die Musik organisch atmen, klar und frisch.
Das zweite Akademiekonzert präsentierte sich auf hohem musikalischem Niveau. Beginnen durfte es Mio Watanabe aus Japan (21) mit Präludium und Fuge a-moll aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“. Sie absolvierte es präsent wie fragil, die Fuge vielleicht ein wenig schwerfälliger als das Präludium, insgesamt jedoch plastisch und trennscharf. – Abgelöst wurde die Pianistin von Chih-Hsien Hung (Taiwan/22) mit dem Allegro der Violinsonale F-Dur op. 24 von Ludwig van Beethoven. Eine von zehn Sonaten, die der Meister für dieses Instrument ersann. Die „Allgemeine musikalische Zeitung“ lobte im Jahr 1802 den originellen, feurigen Geist des Komponisten. Wir konstatieren, dass der wachsende symphonische Anspruch Beethovens sich hier Raum verschafft. Die junge Geigerin, eingebettet in den verlässlichen Begleiter am Flügel, Kensei Yamaguci, spielte mit dieser Weltläufigkeit, die dem Komponisten gefallen hätte. Zudem bezaubert sie durch Grazie.
Vor der Pause brachte Saki Shimomiya (Japan/26) den ersten Satz der Violinsonate A-Dur op. 100 von Johannes Brahms zu Gehör. Wieder in einem unaufdringlichen Zusammenspiel mit Yamaguchi, besaß diese Darbietung einen die Aufmerksamkeit erzwingenden Klang. Es ist ein zärtlicher Brahms, der „in Erwartung einer lieben Freundin“ komponierte. Nein, nicht Clara Schumann, sondern die Sängerin Hermine Spies, wie die Chronisten vermeldeten.
Danach wurde es furios. Ein anderes Wort kann es für die Aufführung des Klavierquintetts f-moll op. 35 von Johannes Brahms nicht geben. Das Spiel der Akteure folgte weniger der rationalen Gewissheit des Durchdachten, sondern viel mehr den Gefühlsgewalten einer verletzlichen Seele. Es ist viel Geist und Gespür zu investieren in dieser kammermusikalischen Polyphonie. Denn Clara Schumann wollte die Noten dieses Meisterwerks „mit einem Füllhorn“ über ein ganzes Orchester ausstreuen.
In die vier Sätze Allegro, Andante/Adagio, Scherzo/Allegro und das Finale/Allegro teilten sich Saki Shimomiya (Japan/26), Chun-Chen Wang, Yun-Chen Wu (beide Taiwan/21) und Yang Zheng (China/24). Am Flügel saßen Iva Zurbo (Albanien/23) und Zihan Li (China/16). Carolin Frick und Mark Schumann waren die souverän und überzeugend agierenden Dozenten an Viola und Violoncello. Die Akteure ließen den Brahms`schen Tragödienton nie dominieren, die Spannung des am Ende umjubelten Spiels bezog das Quintett aus der immer angemessenen Mäßigung des „symphonischen Füllhorns“, aus der wohldosierten Opulenz und der nie sinnentleerten romantischen Emphase. Es war atemberaubend.
Barbara Kaiser – 06. August 2025