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Kolumne – Its Tru(mann)

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Foto: Eva Neuls

Ist ja auch wahr

„Waren Sie nicht gestern in der Zeitung?“, erkundigt sich eine ältere Dame im Aufzug des Klinikums. „Letzte Woche“, korrigiere ich. Auch das ist „gefühlte Wahrheit“. Schon zwei Wochen her, fällt mir ein. Aber dass es ein Porträt von mir in der Zeitung gab, ist wahr.
Nun also Klinikaufenthalt. Ein kleiner operativer Eingriff steht an. Unter Vollnarkose. Dem Chirurgen eine halbe Stunde live bei der Arbeit zuzuschauen, traut sich die Dichterseele nicht zu. Das Personal ist aufmerksam, freundlich und wirkt kompetent, so dass die Klinik-Bewertungen im Netz, zu knapp der Hälfte negativ, mich nicht beunruhigen. Beim Anblick des Aufdrucks „OP“ an der Tür dann doch kurzes Unbehagen. Es ist ja wahr, ab hier ist mein Leben nicht mehr in meiner Hand, sondern in fremden, wiewohl fachkundigen Händen. Vor allem ist es in Gottes Hand, fällt mir ein. Das ist auch wahr, denke ich und bin zufrieden. Nach der OP bin ich schnell hellwach. Es lief alles wie erwartet – außer, dass ich ohne die Begleitung der Schwester auskomme.
Die Krankenschwester, die am zweiten Morgen gleichzeitig zu Telefonieren und den schmerzgeplagten Zimmernachbarn im Bett zurechtzurücken hatte, wirkt gestresst, als sie das Frühstück bringt. Sie ist eine halbe Stunde später damit als geplant. „Guten…“ sagt sie im Weggehen. „Appetit“ ergänze ich. Da huscht doch ein kleines Lächeln über ihr Gesicht.
Ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry fällt mir ein: „Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennen zu lernen“, etwas zu verstehen. Was „der kleine Prinz“ vom Fuchs erläutert bekam, gilt nach über achtzig Jahren immer noch. Für das Pflegepersonal, das die Zeit nicht hat und für Betroffene und Beobachter, die sich die Zeit nicht nehmen zu verstehen und sich anzufreunden mit Personen und Verhältnissen. In dieser Hinsicht erlaube ich mir, Fuchs zu sein.
Menschen, die sich Zeit zum Verstehen nehmen, gibt es aber sehr wohl unter uns. Im Drogeriemarkt hörte ich die Kassiererin einer jungen Frau mit Namenschild etwas erklären. Ich hielt die Schwarzgekleidete für eine Praktikantin und scherzte, dass sie irgendwann vielleicht auch einen weißen Kittel tragen dürfe. Beide lachten. In Wahrheit ist die junge Dame eine Managerin, die – das ist auch wahr – hier auf die Orts- und Fachkunde der Angestellten angewiesen war. Den respektvollen, freundlichen Umgang auf Augenhöhe bei den beiden Damen war mir ein Vergnügen wahrzunehmen.

It’s Tru[mann]

Initia Medien und Verlag UG

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