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Feuilleton

Eine tragende Säule

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Festaktrede Florian Illies

Fotos: B. Kaiser

Kunstverein Uelzen feierte 50 Jahre, alle Förderer und Sponsoren und sich selbst

Erste Vorsitzende Almke Matzker-Steiner mit dem Festredner Florian Illies

Vielleicht muss man die Antwort so salomonisch geben wie Festredner Florian Illies: „Wer bestimmt den Wert der Kunst?“, fragte er zum Schluss seines Vortrags um zu antworten: „Sie! Wenn Sie bemerken, dass Sie ein Kunstwerk berührt. Den wahrsten Wert hat sowieso jenes, das Sie nicht vergessen können!“ Der Kunstverein Uelzen feierte mit einem Festakt sein halbes Jahrhundert. Mit vielen Reden, zahlreichen Dankesworten und Ehrungen und Musik. Es wurde in zwei Stunden viel Bedenkenswertes gesagt. Die Stimmung war durchaus feierlich. Denn 50 Jahre sind ein wirklicher Grund dafür; und so waren auf Einladung rund 160 Gäste in den Ratssaal gekommen.

Wo beginnen? Es wird ja immer mal wieder diskutiert darüber, ob und wie Kunst nütze. Auf der einen Seite diejenigen, die in ihr eine Kraft zur Humanisierung sehen und/oder sie für politische Zwecke eingesetzt sehen wollen. Oder andere, die der „L’art pour l’art“ das Wort reden, Kunst solle nur sich selbst genügen. Vielleicht hülfe Max Liebermanns Seufzer weiter, „dass Gott die Maler vor Gedanken behüte, und dem Publikum die richtigen über die Malerei gäbe“. Oder die Feststellung Cornelia Schleimes: „Es ist eine fadenscheinige Behauptung, dass Kunst nur in Freiheit gedeihen könne.“ Denn Kunst sei Gegenwelt.

Dank an die Gründungsurgesteine Georg Lipinsky…

Auch Bürgermeister Jürgen Markwardt fand in seinem Grußwort keine endgültige Lösung, war sich aber sicher, dass „Kunst die Erfüllung des menschlichen Bedürfnisses nach Ausdruck“ sei. Landrat Dr. Heiko Blume wollte sich auf keine Definition einlassen, zeigte sich aber überzeugt, dass 50 Jahre Kunstverein „50 Jahre voller Neugier und Engagement in Sachen zeitgenössischer Kunst“ waren. Er unterstrich die Bedeutung des Vereins für den Landkreis als „tragende Säule unserer regionalen kulturellen Landschaft“. Er sah es ähnlich wie Marius Babias, Direktor des Neuen Kunstvereins Berlin im Jahr 2013, der betonte, ein Kunstverein sei „ein Ort der Zeitgenossenschaft, eine Werkstatt neuer Ideen mit dem Ziel, Kunst als existenziellen Teil unseres Lebens zu begreifen“. Bürgermeister und Landrat traten mit bemerkenswert engagierten Grußworten auf und versprachen beständige Unterstützung durch Stadt beziehungsweise Landkreis, weil der Kunstverein ein „Teil der materiellen Infrastruktur“ (Blume) ist.

Zu Beginn der feierlichen Stunden, die durch Luciano Ludi von der Musikschule mit Gesang plus Klavierbegleitung sehr passend gerahmt wurden, hatte die derzeitige erste Vorsitzende, Almke Matzker-Steiner, eine kundige, informative und faktengesättigte Begrüßungsrede gehalten. Sie blicke „mit Respekt und Demut auf die geleistete Arbeit“ zurück, zu der sie seit fünf Jahren ihren Teil leistet. Insgesamt 250 Ausstellungen hat der Kunstverein in fünf Jahrzehnten präsentiert. Daneben zahlreiche Workshops, Diskussionen und andere kooperative Veranstaltungen, beispielweise mit Schulen und dem Bund Bildender Künstler, von dessen Mitgliedern der Kunstverein 1975 ja aus der Taufe gehoben wurde.  Das Netz kultureller Vielfalt verdankt sich treuen, beständigen Mitgliedern, verlässlichen Förderern und Sponsoren. Eine Arbeit zwischen Fachkompetenz, großem Engagement und Herzblut stand für ein hochkarätiges Ausstellungsprogramm, schuf ein Netzwerk, „das Basis ist, sich auf dem breit gefächerten Kunstmarkt bewegen zu können“ (Matzker-Steiner).

… und Waldemar Nottbohm.

Nach vielen ehrlich-warmherzigen Dankesworten, auch und vor allem an die zwei noch lebenden Gründungs-Urgesteine Waldemar Nottbohm (95) und Georg Lipinsky (85), „die Sie als gute Väter auf uns aufpassen“ (Matzker-Steiner), stand Florian Illies am Rednerpult und versuchte Antworten zum Thema „Kunst versus Kapital oder Wer bestimmt den wahren Wert der Kunst?“ zu finden. Er musste, wie eingangs erwähnt, die Aufgabe zurückgeben an die Zuhörer. Jedoch nicht ohne einige bedenkenswerte Anstöße aufgereiht zu haben. Dass Kunst ja eigentlich immer vor allem Auftragskunst war – denn wem verdanken wir das Porträt der Mona Lisa oder die Sixtinische Kapelle? Dass Künstler nach Brot gehen müssen, wird so bleiben. Obgleich sich das beispielsweise Friedrich Schiller schon anders wünschte! Ist also der „wahre Wert“ der „Warenwert“?

Luciano Ludi umrahmte den Festakt am Klavier.

Florian Illies vertrat in seiner episodenhaften Rede die nachvollziehbare Ansicht, dass die Frage nach dem Wert eines Kunstwerkes völlig irrational ist. „Wir sind nicht in der Lage zu sagen, welches die wertvollste Kunst ist“ sagte er. Den Faktor Zeit jedoch räumte er ein. Man müsse die Zeit, die die Qualität von Kunst erkennt, dazurechnen bei einem Urteil, resümierte er und verwies auf Caspar David Friedrich, der erst marktfähig wurde, als der zukünftige König von Preußen seinen „Mönch am Meer“ kaufte. Und die Mode spiele natürlich auch eine Rolle, wie man daran deutlich erkennt. – Sogar der viel geschmähten DDR-Kunst nahm sich der Redner an. Wirkt doch auch hier das Prinzip Zeit, denn so langsam erkennt die nächste Generation Kunstwissenschaftler – 35 Jahre sind eine beachtliche Zeitspanne – deren Wert in handwerklicher und künstlerischer Hinsicht. Und dass Werner Tübkes großes Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen Besucherscharen anzieht, nicht nur im diesjährigen 500. Jubiläum des Ereignisses, hat ja seine Gründe.

„Man ist Teil eines Zeitstroms“, sagte Florian Illies, „man kann nicht sagen, was der wahre Wert von Kunst ist. Man braucht viel Abstand dafür.“ Also müssen wir Heutige uns keine Gedanken machen, so wir denn nicht von der „Gier nach Geld und der Hoffnung“ getrieben sind, ein erworbenes Kunstwerk könnte seinen materiellen Wert in 30 Jahren vervielfachen und Altersvorsorge sein. Sicher können wir nur sein, wenn Jahrhunderte dazwischen liegen. So wie Bachs Musik unserem Ohr immer noch modern klingt und Beethovens Noten uns erschüttern, Hölderlins Verse oder die von Goethe ans Herz rühren, und wir staunend vor der Sixtinischen Madonna in Dresden stehen und den Putten zu ihren Füßen zuzwinkern. „Wenn ihr’s nicht fühlt“ stimmt immer. Ein Hoch also auf „den wahrsten Wert“ – das Nicht-vergessen-können. Und ein Hoch auf diejenigen, die in kurzen 50 Jahren einen großen Anteil daran hatten und haben, dass viele Menschen in Uelzen und der Region in diesem Sinne besser sehen gelernt haben. Herzlichen Glückwunsch dem Kunstverein.

Barbara Kaiser – 18. September 2025

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