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Feuilleton News

Sinfonik zu Fünft

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Überwältigendes drittes Akademiekonzert

Wer eine Rangliste aufstellen wollte, muss der Entscheidungsfreudigen einer sein. Welcher Darbietung sollte man den Vorrang einräumen? Dem Ravel? Dem Chopin? Oder Chausson, dem unbekannteren Zeitgenossen von César Franck? Das dritte Akademiekonzert bewegte sich auf luxuriösem musikalischem Niveau.  An diesem Abend wurde mit spürbarer, sich steigernder Begeisterung agiert; so flott wie empfindsam. Aber vielleicht dieses Mal der Reihe nach?

Die zwei Konzertstunden eröffnete Huiming Zhang (China/25) mit „Noctuelles“, dem Nachtfalter, aus Maurice Ravels „Miroirs“. Entstanden im Jahr 1905 hat die Sammlung fünf Stücke, die allesamt technisch herausfordernd und schönster Impressionismus sind. So spielte der junge Mann aus dem Reich der Mitte ohne die mindeste Zimperlichkeit. Bei ihm handelte es sich um einen aktiven Nachtfalter, der um die Lichtquelle schwirrt, bis er – Alarm in der Partitur –  dem Licht zu nahe kommt. Armer Falter.

Überwältigend: Jinzhu Li mit dem „Poème“ von Ernest Chausson

Danach hatte Jinzhu Li (China/18) ihren Auftritt. Die Geigerin legte sich das „Poème“ von Ernest Chausson aufs Notenpult. Am Flügel war ein wiederholt bewundernswerter Kensei Yamaguchi ihr einfühlsamer Partner. Das Stück sollte eigentlich ein Violinkonzert werden, aber der Komponist traute sich das nicht zu. Sein „Poème“ ließ auch den Musikverlag Breitkopf und Härtel in Leipzig zweifeln, sie fürchteten um ihren Profit. Hielten es für „vage und bizarr“ und „außerordentlich schwierig“.  Am Ende haben sie es doch gedruckt, das Stück Musikliteratur nach Iwan Turgenjews „Das Lied von der triumphierenden Liebe“. Jinzhu Li ließ viel Raum für Stimmungsmalerei. Rhapsodisch, mit auf- und abfallender Spannung steigerte sie sich, in höchstem Maße entschlossen, wirklich in den Triumph der Liebe. Zwischen wem auch immer – es war ein wildes Liebesspiel bis zur Erschöpfung. Bravo!

Danach hatte die jüngste Teilnehmerin, Luise Bold (Deutschland/11) ihren Auftritt. Sie erwies sich als fingerflink bei Maurice Ravels „Jeux `d Eau“ (Wasserspiele). Bei aller Präzision und wacher Differenzierung blieb bei ihr alles leicht. Es plätscherte, sprühte, gluckste und floss…

Luise Bold ist mit elf Jahren die jüngste Teilnehmerin

Ihr folgte Zitong Li (China/19) nach mit Frédéric Chopins „Andante Spianato et Grande Polonaise Brillante“ Es-Dur p. 22. Zu Chopins Polonaisen muss man eigentlich nichts sagen. Obwohl der Komponist die verdorbene Wiener Tanzmusik à la Lanner und Strauß hasste, schuf er doch selber solch schwungvolle Noten, zu denen man ja auch tanzt. Im Jahr 1836 veröffentlicht, wiegt sich das Andante gleichmäßig und sanft mit Effekten in leisem Sechsachtel; bis, einem Fanfarenstoß gleich, die überschwängliche Melodie anhebt. Zitong Li musizierte auf lustvolle, intelligente Weise in süffigem, farbbrillantem Klang. Man wartete förmlich darauf, dass auch der Flügel zu schweben begann. Und ein Gute-Laune-Stück ist so eine Polonaise allemal.

Bei den Dozenten Hinrich Alpers, Carolin Frick und Mark Schumann waren alle Studierenden in guten Händen

Nach der Pause die Kammermusik: Klavierquintett f-moll von César Franck. Die Dozenten Carolin Frick (Viola), Mark Schumann (Violoncello) und Hinrich Alpers (Klavier) unterstützten und geleiteten die Geiger:innen Sofia Vinkel (Estland/24), Chih-Hsien Hung (Taiwan/23), Tara Iman Bongardt (Deutschland/18) und Ostap Shpik (Ukraine/23).

Der Komponist hatte nach der Uraufführung nicht viele Freunde für dieses Quintett gewinnen können. Camille Saint-Saëns ließ sich zwar für den Klavierpart überreden, ließ aber nach dem Auftritt seine Partitur mit der persönlichen Widmung von Franck im Theater zurück. Das darf man ungehörig und einen Fauxpas nennen. Für das Publikum im Langhaus Oldenstadt war die Antwort auf die Frage, ist es „wahre Musik“ (Debussy) oder eine „Geschmacklosigkeit“ (Saint- Saëns) klar: Der Beifall sprach Bände. Es war Sinfonik zu fünft, was das Quintett anbot. Was für ein faszinierendes Miteinander in diesem spätromantischen Monumentalstil! Wie dramatisch, wie sentimental, wie schwungvoll und träumerisch – eine sengende emotionale Kraft kam da vom Podium und saugte die Zuhörer in ihren Strudel der aufblühenden Musikarchitektur. Es war zum wiederholten Male eine neue Hörerfahrung. Auch wenn man sich leise vielleicht fragen mag: Darf einer, der von der Orgel kommt, für diese kleine Form schreiben? Das Ergebnis überwältigte und sagt: Ja, darf er.

Barbara Kaiser – 07. August 2025

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