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Feuilleton News

Zwischen Stille und Reeperbahn

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Sechstes St.-Marien-Sommerkonzert mit Erik Matz an der Orgel

Es hat sechs Sommerkonzerte gebraucht, bis es nun endlich eins gab mit Orgel solo. Dafür saß Kreiskantor Erik Matz auf der Empore, er versprach „Norddeutsche Klangfülle“. Matz wünschte sich von seinen Zuhörern vorab, dass die sich auf das Orgelspiel einließen. Er machte es den Besuchern nicht schwer mit der von ihm in seinen Einführungsworten imaginierten Situation des 17. Jahrhunderts: Keine Deutsche Bahn, kein Fluglärm, keine Automobile, keine krawallproduzierenden Massenmedien. Gut, Kanonen gab es in dieser Zeit auch schon, man denke nur an den 30-jährigen Krieg. Aber im Kampf ums (Über)Leben – nur Natur. Mal eine Hochzeit mit Fidel und Flöte. Und dann die Orgel! Ihr Klang muss die Menschen damals förmlich umgehauen haben…

Das bedenkend ließen sich die rund 100 Zuhörer in St. Marien ein auf Matz` Vortrag. Er hatte zudem einen informativen Programmzettel produziert, der das Nötige sagte zu Dietrich Buxtehude (1637-1707), Johann Gottfried Müthel (1728-1788), Franz Tunder (1614-1667), Nicolaus Bruhns (1665-1697), Carl Sauerbrey (1804-1847) und – natürlich – Johannes Brahms (1833-1897). Dazu gab es drei eigene Improvisationen zu „in Norddeutschland bekannten Liedern“. Als Erik Matz dabei bei „Auf der Reeperbahn“ angekommen war, dröhnte eine große Portion Neoromantik durch das Kirchenschiff. Matz sortierte den Bombast des Klangs genauso überzeugend, wie er davor ein „Dat du min Leevsten bist“ zärtlich vertändelt hatte, inklusive Klopfen an die Kammertür und Wind, und durchs „Auf der Lüneburger Heide“ galoppiert war, wo der Orgel-Kuckuck rief.

Die anderen Partituren waren wieder einmal Neuentdeckungen, wie sie Matz liebt. Präludium fis-moll von Buxtehude – ein bisschen Bach hört man da schon. Fantasie in F-Dur von Müthel, der als letzter Bach-Schüler gilt. Die Summe des insgesamt doch traurigen, weil liebesunerfüllten Lebens von Brahms: Zwei Choralvorspiele von elf op. 122, seine letzten Arbeiten. Oder von des gebürtigen Thüringers Sauerbrey, der in Stade drei Organistenstellen innehatte und sich vehement für die Orgeln der Region einsetzte.

Es gab überraschend kecke Kompositionen unter den frisch vorgestellten Partituren, beispielsweise das „Präludium in e“ von Nicolaus Bruhns. Ob die fröhlich-punktierten Rhythmen damals schon unter „Gotteslästerung“ fielen? – Bei der erklatschten Zugabe „Der Mond ist aufgegangen“ hörte man hie und da ein leisen Mitsummen. Es war eine rundherum  aufgeweckte Konzertstunde; Musik, die unter den Händen von Matz einen Sinnenzauber entfaltete oder durch Klangmassen-Dramatik bestach.

Nächsten Samstag, 16. August 2025, sitzt Elisaveta Suslova an der Orgel in St. Marien. Dann sind wir schon beim siebten Sommerkonzert!

Barbara Kaiser – 10. August 2025

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