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Ganz schön viel Edelmetall

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Unter dem Titel „So viel Silber im Grau“ zeigt die Kunstsammlung Jena im Stadtmuseum Kunst aus der DDR

Der Stab war nach der Wiedervereinigung schnell gebrochen: DDR-Kunst? Alles Auftragskunst und somit ideologischer Schrott! Offenbar aber ist es so, wie es Florian Illies in seiner Rede zum 50. Geburtstages des Kunstvereins Uelzen sagte: Es braucht die Zeit. Mindestens drei Generationen. Nur eine Generation später entdecken Kunst- und Kulturwissenschaftler die Kunst aus der DDR schon lange neu; nach mehreren Versuchen von Ausstellungen, in denen noch Diffamierung versucht wurde (zum Beispiel 1999 in Weimar), weiß man um die künstlerische Qualität und die Vielfalt dieser 40 Jahre Schaffen.

Das „Porträt nach Dienst“ von Horst Sakulowski erhitzte die Gemüter, als es auf der VIII. Kunstausstellung 1977/78 zu sehen war.

Das „Porträt nach Dienst“ von Horst Sakulowski erhitzte die Gemüter, als es auf der VIII. Kunstausstellung 1977/78 zu sehen war.

Das Stadtmuseum Jena hat jetzt eine Ausstellung kuratiert, sein Depot, in dem über 3000 Werke schlummern, weit geöffnet und eine Schau, die noch bis zum 16. November 2025 zu sehen sein wird, zusammengestellt. Zu sehen sind Werke von 134 Künstlerinnen und Künstlern, von denen die bekanntesten Namen Arno Rink, Fritz Cremer, Bernhard Heisig, Ronald Paris, Lea Grundig und Willi Sitte sind. Da hängen sie alle: Dicht gedrängt, aber wohl durchdacht und kundig wie übersichtlich benannt.  Malerei, Zeichnung, Grafik, Plastik. Und manche treten dem Besucher so frisch entgegen, als hätten sie nicht jahrelang die Herablassung ertragen müssen, die ihnen aus Richtung Westen entgegenschlug. „So viel Silber im Grau“ lautet dann auch folgerichtig der Titel der Schau. Das mit dem „Grau“ war sowieso immer Ansichtssache, aber sei`s drum.

Mit dabei ist das „Porträt nach Dienst“ von Horst Sakulowski aus dem Jahr 1976. Ich habe es damals auf der VIII. Kunstausstellung der DDR 1977/78 in Dresden gesehen und erinnere mich sehr wohl an die eine oder andere Empörung: Darf eine Ärztin aus der DDR so erschöpft im Sessel liegen? Die Arzttasche neben sich, die Augen geschlossen. Es war eine dieser überflüssigen Diskussionen derjenigen, die DDR-Kunst ausschließlich als Vermittlung des strahlenden Optimismus sehen wollten, was zu jedem Zeitpunkt dumm war. Ich frage mich, wie wohl heute die schlecht bezahlten und überbeanspruchten jungen Assistenzärzte zu Hause auf der Couch liegen nach einem 24-Stunden-Dienst oder Dreifachschichten am Stück.

Gerd Wandrer: „Stadtlandschaft mit rotem Stuhl“ (und Katze!) aus dem Jahr 1985

Hier funktionierte DDR-Kunst ja eigentlich, wie es Francisco de Goya schon praktizierte: Er packte die Menschen und kümmerte sich um deren Dramen. Kunst vermittelt immer nur Selbsterkenntnis – gewährt durch den Blick auf das Fremde. Sie ist ein Medium zur Reflexion. Und ja: In der DDR war Kunst auch Waffe. Im Lebenskampf der Agitation und in der Auseinandersetzung zwischen den Systemen während des Kalten Krieges. Ein Holzhammer ist auch eine Waffe. Da halte ich es jedoch mit Peter Hacks, der anmerkte: „Nach Aristoteles folgt hieraus nicht, dass die Kunst ein Holzhammer sein müsse. Es folgt eher, dass die Kunst eine umso bessere Waffe sei, je bessere Kunst sie ist.“

Und viele „gute“ Kunst gibt es in der Ausstellung in Jena zu sehen. Die Grafikblätter aus verschiedenen thematischen Mappen, beispielsweise zu einem Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution: sehr eindringlich. Die Skulpturen: aufregend modern. Auch in den ganz frühen Werken gleich nach dem Krieg geht es immer um den Menschen, wie „Im Laboratorium“ von Hans Lasko 1957 oder „Arbeitsberatung in Schwedt“ von Lea Grundig 1965. Genauso wie „Beatrhythmen“ von Carl Marx aus dem Jahr 1970.  Es gibt interessante Drucke zu „Prometheus“ und ganz entspannte, fast fröhliche Bilder, wie „Frau auf dem Balkon“ von Dietmar Goltzsche (ohne Jahr) und von Wasja Götze „Interieur“ von 1978/79.

Waldemar Grzimek: Berthold Brecht, 1957 (Bronze)

Nur über sich zu reden, bereichert nicht. Wo nur das Selbsterfahrene gilt, ist anderes, Fremdes, nicht erfahrbar. Mit der Kunst von ostwärts der Elbe ist man viel zu lange so verfahren. Nach 35 Jahren deutsche Einheit könnte man auch hier den Blick mal umkehren!

Barbara Kaiser – 05. Oktober 2025

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