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Feuilleton

Isometrie und Pappmaché

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Fotos: Barbara Kaiser

Kunstverein Uelzen veranstaltet mit dem Künstler Moritz Wippermann ein Projekt in der Hermann-Löns-Schule

„Das kann ich nicht“, sagt der Knirps, und er sieht sehr entschlossen aus, sich der Aufgabe zu verweigern. Er soll einen Würfel dreidimensional zeichnen. Seine Mitschüler:innen mühen sich redlich, Moritz Wippermann, der seine fantastischen Gebilde an die Schultafel gepinnt hat, steht ihm zur Seite, und dann unternimmt der Kleine doch noch einen Versuch. Zugegeben, der Würfel wird winzig ausfallen, aber er ist am Ende eindeutig als dreidimensional erkennbar.

Projekt Hermann-Löns-SchuleDer Kunstverein Uelzen vergaß auch in seinem 50. Jahr des Bestehens die Galeriebesucher von morgen nicht. Gefördert durch den Lüneburgischen Landschaftsverband wurden drei Veranstaltungen ( „Kunst im Schaufenster“, der Festakt mit Florian Illies und das Schülerprojekt) unter dem Motto „50 Jahre Kunstverein – neue Zielgruppen erschließen“ gefördert.

Projekt Hermann-Löns-SchuleUnd so gab es sechs Tage lang – für sechs Klassen – Workshops an der Hermann-Löns-Schule. Sie standen unter der Überschrift „Von Linien und Räumen“ und beinhalteten „Isometrisches Zeichnen“ – früher sagte man noch Geometrie dazu oder technisches Zeichnen! -, wo es vor allem um das räumliche Sehen und dessen  Wiedergabe ging. Was offenbar für die Kinder von heute, die mit Tablet groß werden, ein Problem ist. Dazu gesellten sich das Gestalten mit Pappmaché und Pappe. Das machte entschieden mehr Spaß, wie sich im Nachbarraum zeigte, wo Zea, Zudwi, Maria, Elia und Nele mit einem Eimer Tapetenkleister und Haushaltspapier ein abenteuerliches Gebilde aus Türmen formten. „Vorsicht, die Spitze kippt“, warnte Lehrerin Astrid Teske. Ja, der Turmbau war schon vor tausenden Jahren schwierig. Aber – kein babylonisches Sprachgewirr, die Kinder retteten die Spitze. „Für viele ist es absolutes Neuland“, sagte Schulsozialarbeiter Frederik Winnefeld, „aber die Begeisterung ist auf jeden Fall da.“ Hier sagte keiner „das kann ich nicht“, hier wurde eifrig in den Leimtopf gegriffen.

„Es ist ein tolles Projekt für uns“, sagte Astrid Teske im Gespräch. Die Kinder erlernten Techniken, setzten sie um und arbeiteten in einer Mischung aus Kreativität und der Lust am Ausprobieren. Dreidimensional zu zeichnen ist relativ herausfordernd, weiß Moritz Wippermann. Trotzdem hat er es gewählt für seinen Workshop, weil die Welt eben komplexer als ein Bildschirm ist!

Der Künstler stellte im Sommer 2024 im Kunstverein aus. Meist waren es Grafiken, ein Gebiet des künstlerischen Ausdrucks, auf dem der 34-Jährige auf faszinierende Weise mit handwerklicher Perfektion unterwegs ist. Geboren in Halle/Saale, absolvierte Wippermann zunächst eine Ausbildung zum gestaltungstechnischen Assistenten und erwarb danach die Fachhochschulreife. Nach einem Jahr „travel and work“ in Neuseeland, wo er in Weinbergen bei der Lese half und später Straßenmusik machte, studierte er an der Hochschule Wismar Visuelle Kommunikation (Abschluss mit Diplom 2019). Auslandaufenthalte auf Kuba, in Lettland und Schottland erweiterten menschliche und künstlerische Horizonte. In den Jahren 2020/21 konnte der Absolvent mit dem Caspar-David-Friedrich-Stipendium arbeiten. Seit 2021 ist Wippermann Mitglied des Künstlerbundes Dresden (BBK). Er beschickte zahlreiche Ausstellungen und erhielt Auszeichnungen, zum Beispiel den Grafikpreis der Leipziger Buchmesse. Dass er sich dennoch der sicherlich nicht immer einfachen Arbeit mit Kindern stellt, ist nicht hochgenug zu bewerten.

Die Ergebnisse dieser Arbeit präsentierten die Kinder und alle Beteiligten nach einer Woche Arbeit in der Galerie des Kunstvereins im Theaterkeller: Stolze Eltern, aufgeregte Kinder – eine Vernissage der besonderen Art. Papa und Mama werden die Arbeiten vorgeführt, ein Vater hält gleich Sprössling und Bild mit dem Handy fest.

„Ich bin so begeistert, Kinder, was ihr in einer Woche geschafft habt“, sagt die erste Vorsitzende des Kunstvereins, Almke Matzker-Steiner. Für die Eltern zu Erklärung fügte sie hinzu: „Warum machen wir das?“  Natürlich für das Publikum von morgen, aber auch, „weil wir in unserem 50. Jubiläumsjahr viele besondere Veranstaltungen hatten.“  Rund 120 Kinder aus sechs Klassen der Stufen drei und vier hätten „großartig gearbeitet und viel geleistet“, zeigte sich auch Astrid Teske, die stellvertretend für die Lehrer:innen der Schule das Wort ergriff, überzeugt. Das ist einfach nur wahr. So viel Fantasie, so viel Kreativität, so viel Potenzial – es ist doch jammerschade, wenn solch kindlicher Schatz nur vor den digitalen Medien verkümmert!

Barbara Kaiser – 20. November 2025

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