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Soziales Wirtschaft

Privatsphäre und Halloween-Servietten

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Foto: Fuge

Wie internationale Fachkräfte in Uelzen ankommen

Sie kommen mit Abschlüssen, Berufserfahrung und dem Willen, neu anzufangen. Ingenieur:innen aus Syrien, Pflegekräfte aus der Ukraine, IT-Spezialisten aus dem Iran: Unter den vielen nach Deutschland geflüchteten Menschen sind eine Vielzahl der bei uns händeringend gesuchten Fachkräften. Doch das Versprechen, dass Arbeit Integration schafft, ist in der Praxis nicht so leicht umzusetzen. Was erleben die Menschen, die zu uns gekommen auf ihrem Weg ins Berufsleben sind? Das Team der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe hatte kürzlich im Rahmen der Interkulturellen Woche 2025 internationale Fachkräfte zum Dialog geladen. Zu ihrem Schutz sind sie weder auf dem Foto erkennbar noch sind hier ihre Namen voll ausgeschrieben.

Naweed kommt aus Afghanistan. Als er 2020 nach Deutschland kam, war gerade Corona-Lockdown. Er hat einen in Deutschland bereits anerkannten Bachelor im Bereich Wirtschaft. Aktuell absolviert er einen dualen Bachelor im Medien- und IT-Management.
Iryna kommt aus der Ukraine und lebt seit ca. drei Jahren mit ihrer Familie in Deutschland. Sie studierte ukrainische und ausländische Literatur. Ihre Fächer werden hier nicht anerkannt, daher kann sie nicht als Lehrerin arbeiten. Dennoch unterrichtet sie Deutsch als Kursleiterin im Integrationskurs.
Simona ist vor zehn Jahren für ihren deutschen Mann aus Rumänien hergezogen. Sie hat Journalismus studiert und große Charity-Events organisiert. Auch in Deutschland unterstützt sie Menschen wieder hauptberuflich. Als Ansprechpartnerin für Menschen aus der Ukraine ist sie in der Samtgemeinde Bevensen-Ebstorf tätig.
Fabrice kam vor knapp drei Jahren aus Burundi nach Deutschland. Er ist gelernter Krankenpfleger und möchte diesen Beruf auch in Deutschland wieder aufnehmen. Er arbeitet im Logistikbereich und plant, sobald er noch bessere Deutschkenntnisse hat, eine Ausbildung im Bereich Gesundheit.

Was hat Sie am meisten überrascht, nachdem Sie in Deutschland angekommen sind?
Naweed: „So viel Post. Das hat mich gestresst. Das habe ich bisher noch nicht erlebt.“
Fabrice: „In meinem Land ist das Wetter sehr schön. Als ich ankam war Winter.“
Simona: „Die vielen Prospekte in der Post. Ich war tatsächlich schockiert, weil ich nicht wusste, dass ich für Halloween besondere Servietten auf dem Tisch haben muss.“
Iryna: „Wir sind sechs Personen: Ich, mein Mann und vier Kinder und wir hatten nur so eine kleine Mappe mit unseren Dokumenten. Drei Jahre hier und wir haben einen Schrank – ein Mitglied unserer Familie.“

Mit einer Ausbildung aus dem Ausland in Deutschland arbeiten – wie geht das?
Naweed: „Ich habe Wirtschaft studiert und mein Bachelor ist in Deutschland anerkannt worden. Aber die Arbeitgeber zu überzeugen ist das größere Problem. Ich nochmal einen Bachelor im dualen Studium begonnen.“
Iryna: „Ich bin Lehrerin, aber meine Fächer sind in Deutschland nicht anerkannt. Ich arbeite jetzt als Kursleiterin für Integrationskurse.“
Simona: „Ich habe Journalismus studiert und viel Erfahrung in der Organisation großer Events, wie z.B. Charity für soziale Projekte.“
Fabrice: „Ich bin Krankenpfleger von Beruf und arbeite aktuell im Bereich Logistik.“

Was unterscheidet das Arbeiten in dem Herkunftsland vom Arbeiten in Deutschland?
Iryna: „In Deutschland wird die Privatsphäre berücksichtigt.“
Fabrice: „Hier gibt es Versicherung und Rente. Und es gibt Pünktlichkeit. Die Mitarbeiter werden mit Respekt behandelt. Wo ich jetzt arbeite, sitze ich mit meinem Chef zusammen und wir unterhalten uns einfach. Das war eine Überraschung für mich.“
Naweed: „In Afghanistan haben wir Bürokratie geübt. Wir mussten diese Struktur und das System lernen. Aber es hat nicht gut funktioniert. Hier in Deutschland lerne ich jetzt, dass es funktionieren kann. Das war sehr interessant. Schwer fällt es mir, meinen Chef zu dutzen und seinen Vornamen zu sagen. Das kann keiner nachvollziehen.“
Simona: „In der internationalen Organisation für die ich gearbeitete habe, hat mich meine Chefin auch in der Elternzeit angerufen und gefragt, wann ich wieder zur Arbeit komme. Das war viel Stress“

Was würden Sie anderen Zugewanderten empfehlen, die im Landkreis Uelzen heimisch werden wollen:
Naweed: „Ich kann es empfehlen in einem kleinen Dorf zu leben, weil man mehr Kontakt mit den Nachbarn hat. Und nicht auf eine Gelegenheit warten, sondern selbst aktiv werden muss.“
Simona: „Immer wieder Fragen. Geh irgendwo hin und stelle deine Fragen. Ich möchte ihnen sagen, habt keine Angst, vertraue dem System und stell Fragen.”
Fabrice: „Man muss sehr diszipliniert und auch mutig sein. Die Kultur und die Gesetze hier kennenlernen, aber auch die Kultur aus der Heimat nicht vergessen. Sich gegenseitig unterstützen ist sehr wichtig.“
Iryna: „Aus der Komfortzone herauskommen und nicht frustriert sein, wenn etwas nicht klappt.“

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Iryna: „Einen festen Arbeitsplatz und fast perfekt Deutsch lernen. Mein größter Traum ist es, wieder als Lehrerin zu arbeiten“
Naweed: „Glücklich sein!“
Simona: „Ich habe Interesse an Pädagogik oder Psychologie. Ich würde mich gerne trauen, etwas in dieser Richtung zu machen“
Fabrice: „Ich möchte gerne eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Und eine Familie gründen. Meine Stadt Uelzen hat mich als Flüchtling akzeptiert und deshalb möchte ich in der Zukunft meiner Stadt etwas zurückgeben. Wenn mein Deutsch gut genug ist, möchte ich nochmal eine Ausbildung machen“

[Janina Fuge, Karina Tetzlaff]

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