Seite lädt...

It's Trumann

Sehnsuchtsorte

teilen

„Souvenir d‘un lieu cher – Erinnerung an einen liebgewonnenen Ort“. Ich musste lachen, als ich im Signal des Arbeitszeiterfassungsgeräts den just im Autoradio gehörten ersten Violinen-Ton der Tschaikowski-Melodie vernahm und konnte nun gutgelaunt meine Kollegen mit dieser Anek­dote begrüßen. Die Servicedamen, die den Morgenkaffee vorbereiten und mir gönnen, Kollegen, die meine Art von Humor ertragen oder gar schätzen, die Kantine mit zwei Gerichten zur Auswahl, die mir das Zubereiten des Mittagessens ersparen und die 30-Stunden-Woche, dank der mir ein Nachmittagsschläfchen auf dem eigenen Sofa vergönnt ist, ließen meine Arbeitsstelle sehr wohl zu einem liebgewonnenen Ort werden. Das war mir bis dato nur nicht bewusst. Ein Sehnsuchtsort ist mein Arbeitsplatz dennoch nicht. Da tendiere ich eher zu Joachim Ringelnatz‘ Zeile aus „Heimliche Stunde“: „Ich liebe Gott und meine Frau, meine Wohnung und meine Decke.“

„See you in Heaven – Wir sehen uns im Himmel“, hatte ich die vorige Kolumne geschlossen. Dieser Himmel ist ein uns unbekannter Ort, von dem wir bestenfalls gelesen oder gehört haben. Es gibt aber Menschen, einige von ihnen sind mir bekannt, die sich danach sehnen, die die Vorstellung davon bereits liebgewonnen haben.

Eine Art Vorort des Himmels ist seit Monaten die Kirche, der ich angehöre, für etliche afrikanische Christen geworden, ein liebgewonnener Ort, an dem sie sich willkommen und angenommen wissen, ein Sehnsuchtsort gar, für den sie am Sonntagmorgen teils zwei Stunden Bus- und Bahnfahrt auf sich nehmen, um Gott, einander und uns zu begegnen. Andererseits ist ein befreundetes Ehepaar in Afrika bestrebt, dort ein sicherer Ort und Vermittler erfahrbaren Friedens zu sein. Barmherzige und Friedenstifter hatte Jesus, „das Christkind“, glückselig genannt. Ich darf mich selig nennen, sein Schüler zu sein.

Tschaikowskis musikalische Liebeserklärung galt 1878 dem Landgut seiner Mäzenin in Brajiliw in der Ukraine. 2022 zerstörten russische Raketen nur vierzig Kilometer davon entfernt einen Konzertsaal der Bezirkshauptstadt und töteten 28 Menschen. Den beklemmenden Nachrichten aus fern und nah entgegen, ist es an jedem einzelnen von uns, sich nicht verbittern zu lassen, sondern, frei nach der Goldenen Regel „Was du dir wünschst, dass man dir tu, das füge du dem andern zu“, Orte zu bewahren und zu schaffen, an die man gern zurückkehrt oder sich sehnsuchtsvoll erinnert. It’s Tru[mann]

Initia Medien und Verlag UG