Der Unermüdliche
teilen

Foto: B.Kaiser
Eine sehr persönliche Laudatio: Waldemar Nottbohm wird 95
Dem Geplänkel zwischen Waldemar Nottbohm und Gerard Minnaard, den Termin der Geburtstagsnachfeier in der Mühle betreffend, mit Sternekoch und vielen Gratulanten, durfte ich beiwohnen. Am Ende standen der 27. oder 28. August im Raum – und da kann es für den Jubilar keine Frage geben: Natürlich an Goethes Geburtstag, dem 28. August! Ich weiß nicht, ob sich das alle Gäste so leicht merken können wie ich. Denn wenn uns eines verbindet, Waldemar Nottbohm und mich, dann ist das die Liebe zu diesem Dichter. Vor geraumer Zeit schenkte er mir eines seiner zahlreichen Reisetagebücher, das über die Reise nach Weimar 2013. Charakteristisch für diese Büchlein sind die zauberhaft-leichten Zeichnungen, die so gar nicht zum robust-raumgreifenden Holz- und Stahlbildhauer passen wollen. Aber haben wir nicht alle eine unentdeckte, sensible, zarte Seite? Nie habe ich daran gezweifelt, dass es auch bei Waldemar Nottbohm so ist; wer die Bücher kennt, weiß es.
Ich habe den Künstler vor einem Vierteljahrhundert mal einen „charmanten Plauderer“ genannt, was er sich verbat. Dabei war es ein Kompliment! Waldemar Nottbohm blitzt neben einer angenehmen Mischung aus Eloquenz und der Gabe, auf den Punkt zu kommen, auch der Schalk aus den Augen. Deshalb ist es immer eine angenehme Stunde gewesen, mit ihm geredet haben zu dürfen. Gelegenheiten dazu gab es einige, denn inzwischen ist er, der in Hitzacker wohnt, in Uelzen ziemlich präsent. So schmücken seine großen Holzskulpturen den Weg an der Woltersburger Mühle, mündend in den „Friedensweg“. Ein paar Skulpturen aus Metall gibt es inzwischen auch auf dem Gelände.
Arbeiten des Künstlers entstanden immer in Perioden. Sie sind stets Ergebnisse einer Entwicklung, einer Grundidee. Die bereits erwähnten Reisebüchlein, die mit wenigen Strichen Charakteristisches einzufangen vermögen, die plastischen Arbeiten, die zu keiner Zeit gegenständlichen Vorbildern folgten und nur um ihrer selbst willen entstanden. Nottbohm sieht sich aus dem Minimalismus herkommend und der konstruktivistischen Herstellungsweise verhaftet.
„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen, darum scheint es eine Torheit, sie wieder durch Worte vermitteln zu wollen“, sagte Geheimrat Goethe. Das passt immer, auch in der Musik. Das Urgestein des Bundes Bildender Künstler Uelzen, dessen Vorsitzender Nottbohm sechs Jahre lang war (plus zwölf Jahre zweiter Vorsitzender des Landesverbandes Hannover), wird unglaubliche 95. Geboren am 19. August 1930 in Celle, war er geworfen in die Auseinandersetzungen der Zeit. Seine Reihe „Spurensicherung“ ist engagierte Malerei, die die Neutronenbombe (1978) ebenso zum Anlass nahm wie das Anti-Atomkraft-Hüttendorf in Gorleben. Anlässlich seines 75. Geburtstages zeigte er in der Ausstellung im Rathaus diese Ölbilder. „Meine Arbeiten sind frei für jegliche Assoziation“, sagte er. Und die stellen sich auch verlässlich ein. Als sich die Zweidimensionalität immer mehr zur Monochromie entwickelte, strukturloser wird, begann der Maler im Jahr 1960 Eisenarbeiten. Als wollte er mit der Dreidimensionalität die Linien, die auf dem Papier verloren gingen, wieder zurückzwingen.
Waldemar Nottbohm hat nach seiner Hamburger Schulzeit eine Zimmererlehre gemacht – vielleicht ist es auch der Hang zum Haptischen, der zu den Skulpturen drängte? Nach dem Studium von Kunstpädagogik und Bildhauerei (Metallgestaltung) an der PH Lüneburg arbeitete er in der Schule und in der Erwachsenen- und Lehrerbildung, war Mitbegründer verschiedenster Künstlergruppen. Seit er Freier Künstler ist, hat er an zahllosen Wettbewerben teilgenommen und noch mehr Ausstellungen ausgerichtet. Immer ist seine Arbeit ein Spiel mit den Formen. Die sind zwar endlich, dennoch müht sich Waldemar Nottbohm um Vielfalt und Unendlichkeit. Weil seine Kunst „nicht von der Nothdurft der Materie…ihre Vorschriften empfangen“ will. Das war allerdings Schiller, in seinem ersten Brief über die ästhetische Erziehung des Menschen!
Manchmal muss Kunst einfach unfunktional sein, nur zum „Angaffen“ (Immanuel Kant). Und sie ist nie das, was sie zu sein scheint, sondern was man über sie denkt! Die redende und schweigende Kraft der Arbeiten Waldemar Nottbohms ist dem Betrachter behilflich, Perspektiven zu ergründen, Möglichkeiten auszuloten, Spannungsfelder anzunehmen und auszuhalten. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
Barbara Kaiser – 10. August 2025