Trans-Identität und – Geschlechtlichkeit
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Foto: stock.adobe.com – master1305
Ein kleiner Blick in die Geschichte
Seit Mai 1923 hat Dresden eine Lili-Elbe-Straße: Entstanden auf einer ehemaligen Brachfläche und gestaltet nach Bürgerwünschen, ist diese Straße deshalb so besonders, weil sie einen Platz im öffentlichen Raum für einen Menschen schafft, der Geschichte geschrieben hat: Lili Elbe war eine dänische Malerin, die sich 1930/31 in Dresden als vermutlich einer der ersten Menschen einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog – und damit eine Wegbereiterin dafür war, dass Menschen Hilfe und Unterstützung dabei erfahren, ihre richtige geschlechtliche Identität zu finden. Die sächsische Landeshauptstadt war mit diesem Akt der Straßenbenennung ein Pionier, Transsexualität, Transgeschlechtlichkeit öffentlich sichtbar sein zu lassen.
Dabei dürfte dieses andere Normal-Sein, bei dem die Geschlechtsidentität nicht einhergeht mit dem bei Geburt gegebenen Geschlecht, letztlich so alt wie die Menschheitsgeschichte überhaupt sein: Das Gefühl, sich einer anderen Geschlechtlichkeit zugehörig zu fühlen als der biologischen, ist mindestens ab dem Moment eine immer wieder vorkommende Regelmäßigkeit gewesen, seitdem es so etwas wie eine geschlechtliche Identität/eine geschlechtliche Selbstwahrnehmung gab.
Eine sehr frühe Überlieferung mag es vom römischen Kaiser Elagabal geben, der im dritten Jahrhundert nach Christus herrschte – und laut Geschichtsschreiber Cassius Dio – selbst gefordert haben soll: „Nennt mich nicht Herr, denn ich bin eine Dame“. Generell war der Wechsel von Geschlechterrollen in der Antike nicht ganz (so) selten. Überliefert ist in der griechischen Mythologie beispielsweise die Figur des Sehers Teiresias, der männlich geboren wurde, sieben Jahre als Frau und danach wieder als Mann lebte. Er sollte die Streitfrage zwischen Zeus und Hera klären, wer bei der geschlechtlichen Liebe mehr Lust empfinde – und es war zu erwarten, dass sein Votum insbesondere daher überzeugte, da er Kenntnisse beider Seiten hatte… Mit dem antiken Kybele-Mysterienkult gab es ein weiteres Beispiel, in dem Geschlechter gewechselt und durch Eingriffe geändert wurden.
Immer wieder gibt es auch in den folgenden Jahrhunderten einzelne Biografien, die belegen, dass das Thema der mitunter nicht eindeutigen Geschlechtsidentitäten jahrhundertealt ist. Ein weiterer bekannter Fall ist jener von Chevalier d’Eòn (1728-1810), ein französischer Adliger, der in Frauenkleidern als Spion(in) Ludwigs des XV. tätig war, anscheinend nie eine sexuelle Beziehung hatte und 1774 erklärte, eigentlich eine Frau zu sein, was auch nach einer medizinischen Begutachtung offiziell und amtlich bestätigt wurde.
Transgeschlechtlichkeit heute
Unser heutiges Verständnis von Transgeschlechtlichkeit hat jedoch mit all dem Historischen wenig zu tun. Erst im frühen 20. Jahrhundert wurde die Frage anders behandelt, es gab medizinische Forschung, operative Techniken, hormonelle Therapieansätze, und auch rechtliche Fragen bekamen zunehmende Relevanz.
Der Sexualforscher Magnus Hirschfeld war ab etwa 1910 einer der ersten, die sich wissenschaftlich mit dem Thema befassten und an seinem Berliner Institut für Sexualwissenschaft auch entsprechende medizinische Behandlungsmöglichkeiten entwickelte. Die wegweisenden Werke und Veröffentlichungen Hirschfelds, Deutscher jüdischen Glaubens, waren im übrigen wenige Jahrzehnte danach mitten unter all jenen Büchern, die die Nationalsozialisten in Berlin verbrannten, da sie mit Hirschfelds Verständnis von menschlicher Diversität schlichtweg nichts anfangen konnten…
Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch waren seine Arbeiten Grundlage für weitere Forschungen und auch einer Schwerpunktlegung auf medizinische Fragen der Trans- und Intersexualität. Ein wesentlicher Einschnitt kam dann vor etwa einem Vierteljahrhundert, als Menschen begannen, sich nicht mehr durch das biologische Geschlecht und dessen Veränderungen zu definieren, sondern durch die Geschlechtsidentität und deren Ausdruck.
Zeitgleich verbesserte sich seit den etwa 1970er Jahren die rechtliche und soziale Situation von Transpersonen – und dennoch: Bis heute haben Transmenschen unter Ungleichbehandlung, Anfeindungen oder, in vielen Ländern der Welt, auch Lebensbedrohungen zu leiden.
„Ich kämpfe gegen die Voreingenommenheit des Spießbürgers, der in mir ein Phänomen, eine Abnormität sucht. Wie ich jetzt bin, so bin ich eine ganz gewöhnliche Frau“ – so brachte es Lili Elbe einmal auf den Punkt. Immer wieder geht es bei der Frage nach Transsexualität für die Betroffenen um die eine Frage: Was ist „normal“? Die schönste Antwort dabei: Normal ist bunt.
Janina Fuge