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Von zwischen zu jenseits der Geschlechter

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Trans

Trans, von Vorsilbe zu Begriff, aber was bedeutet der genau? Und was zeichnet unser Denken aus, dass es diesen Begriff hervorbringt? Was kann Trans für alle leisten, für diejenigen, denen er eine Identitätsbasis gibt, aber auch für diejenigen, die sich bisher noch nicht in seinem Licht gesehen haben? Warum also sollte Trans uns alle interessieren?
Das Konzept des „Trans“-Seins beruht auf zwei Unterscheidungen: Mann versus Frau, und „Gender“ versus „Sex“*. Beide Unterscheidungen verbindend lässt sich sagen: Sex meint Mann/Frau-Sein, und Gender meint Männlich/Weiblich-Sein, ja gar: sich so oder so zu benehmen, weshalb Judith Butler Gender auch als „performativ“(Übersetzung) betitelt. Auf Basis dieser Viergliedrigkeit scheint sich Trans-Sein aufbrechen zu lassen. Trans zu sein heißt entweder: Weiblich sein, aber keine Frau sein; oder es heißt: Männlich sein, aber kein Mann sein. Trans widersetzt sich demnach der Doktrin, dass Sex für Gender bestimmend sei. „Du bist ein Mann, also musst du dich auch männlich verhalten“, und „Du bist eine Frau, also hast du weiblich zu sein“. Dass jene (diese Doktrin) so lange Bestand und Macht hat, erscheint mir verwunderlich. Das Körperliche (Sex) dem Geistigen (Gender) überzuordnen, ist doch sehr unüblich in unserem Kulturkreis, und widerspricht eigentlich unserem nicht zuletzt auch christlichen Erbe. Trans beinhaltet daher die Chance zu verstehen, dass Identitäten nicht von Körperlichkeiten vorgegeben werden, um dann die eigene Identität aktiv von den mit der eigenen Körperlichkeit verbundenen gesellschaftlichen Vorstellungen zu befreien.
Doch was bedeutet eigentlich dieses Männlich/Weiblich-Sein? Laut der Theorie ist Gender eine kulturelle Praxis, die je nach Zeit und Ort anders gelebt werden kann. In einer matriarchalen Gesellschaft bedeutet Weiblichkeit sicherlich etwas gänzlich anderes als in unserer (weiterhin) pa-
triarchalen Struktur, in der letzteres Phänomen noch immer mit Emotionalität, Intuition, dem Kümmer-Gen, ein Interesse an Mode und Einrichtung, etc. verbunden wird. Auch das Männliche als hart, professionell, verdienend, muskulös, etc. ist nicht „gottgegeben“, sondern eine an das Miteinander gebundene Konstruktion, die sich ja auch gerade parallel zur fortschreitenden Emanzipation im Wandel befindet.
Und wer ist eigentlich dieser Mann, der seine Männlichkeit, und wer diese Frau, die ihre Weiblichkeit laut Konvention leben soll? Mann und Frau sind, wie jegliche Dualismen, in ihrer Existenz voneinander abhängig. Eine Frau ist nur eine Frau, insoweit sie kein Mann ist. Ein Mann ist nur ein Mann in den Bereichen, in denen er keine Frau ist. In allen anderen Bereichen ist er etwas anderes, vielleicht Mensch, vielleicht Säugetier, vielleicht. Mann-Sein ist also gleichbedeutend mit: Nicht-Frau-Sein, und Frau-Sein mit Nicht-Mann-Sein (dass dieses Spiel nicht so fair ist, wie hier dargestellt, haben feministische Theoretikerinnen wie de Beauvoir, Wittig und Irigaray dargelegt; hier wollen wir jedoch nicht auf die mangelnde Gleichberechtigung eingehen).
An was das Mann/Frau-Sein final festzumachen ist, bleibt ungeklärt: Ist es die Anatomie? Primäre oder doch sekundäre Geschlechtsorgane? Fettverteilung? Gewebe? Hormone? Chromosomen? Daher sind für Judith Butler beide hier beschriebenen Unterscheidungen hinfällig: Sex ist genauso konstruiert wie Gender, vielleicht lässt sich sagen: nur mit anderen Mitteln, etwa mehr natur- als geisteswissenschaftlichen. Mann Weiblich Männlich Frau verschwimmen miteinander, und genau hierin liegt das Potenzial von Trans: Es erlaubt uns, das Denken mit Geschlechterdualismen hinter uns zu lassen – sei es in Bezug auf Identitäten oder Praktiken. Dualismen sind rigide (ein „Schwarz-Weiß-Denken“), und wie Butler schreibt: Je rigider die Position, desto mehr ist sie besessen von all dem, was sie ausschließt. Während Fremdgehen, Inzucht und Kindsmord (insbesondere durch die Mutter) in der Antike von Norm zu Sünde mutierten, war das Trans-Sein damals ein bisweilen vertrauter Zustand: jenseits der Geschlechter (Hermaphrodit, also Hermes und Aphrodite in sich verquerend), aber übrigens auch jenseits des Dualismus von Mensch und Tier, was uns die Zentauren, Minotauren, usw. vor Augen führen. Ist unser (sich sicherlich noch entwickelnder) Umgang mit Trans heute also nur ein Symptom eines Wiederauflebens von Posthumanismus?

Swantje Martach

Initia Medien und Verlag UG

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