Kriegen
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„Siehe, ich verkündige euch große Freude.“ Ist die Ansage unzeitgemäß, die jedes Weihnachten gelesen wird? Oder sollte ich zu früh damit sein? Die ersten Lebkuchenherzen der Saison hatte ich bereits im September von zwei mir zugeneigten Muttis geschenkt gekriegt. Anfang Oktober knabberte ein Kind vor meinen Augen an seinem, eben noch erkennbaren, Schokoweihnachtsmann. Abgesehen von solchen kleinen Freuden finde ich auch immer wieder Grund zu großer Freude. Einer war es zu sehen, wie eine Freundin sich vor Dankbarkeit und Freude über ermutigende, auswegweisende Worte kaum wieder einzukriegen wusste. Tiefe Freude erfüllte mich auch mitzukriegen, wie ein ausgegrenztes Menschenkind im Teenageralter erst von seinen Mobbern in Ruhe gelassen wurde und es dann noch eine Freundin fand. Vom Heiland ist in der Weihnachtsgeschichte zu hören, vom Retter und Seelen-heil-macher. Der ist in diesem Fall um Hilfe gebeten worden und hat sich augenscheinlich nicht lange bitten lassen.
Ein Vortrag vor Monaten, der zunächst Balsam für die Seele war und davon handelte, welch ein Beistand uns von Gott mit Jesus geschenkt worden sei, bekam eine herausfordernde Wendung, als der Prediger uns Zuhörende aufrief, derart gerüstet selbst Beistand zu sein für solche, die – wie das oben erwähnte Menschenkind – keinen Fürsprecher haben. Es war, als hätte Gott mich beim Kriegen spielen angetippt und „Du bist!“ gerufen. Prompt kam mir nämlich ein für mich gewöhnungsbedürftiger Zeitgenosse in den Sinn, den ich nicht auszugrenzen, nicht zu meiden hatte, weil auch ihm zugedacht ist, von der großen Freude etwas abzukriegen.
Meine Lieblings-Kriegs-Geschichte steht im Buch der Könige in der Bibel. Da wird dem überrumpelten feindlichen Heer auf Rat des Propheten Elisa ein großzügiges Mahl bereitet, um es dann im Frieden nach Hause zu entlassen. Von solcher Gastlichkeit beschämt, unterließen die Nachbarn ihre Anfeindungen für eine Weile. Eine „Taktik“ und Beendigung von Kriegen und Konflikten, die ich mir auch in der Ukraine und im Nahen Osten wünschte bzw. gewünscht hätte.
Auch zu Weihnachten, zum Geburtstag, zur Belohnung sollte die Frage weniger lauten „Was kriege ich?“, sondern eher: Was habe ich schon gekriegt, bekommen, erhalten und was sollte ich erhalten, hüten, bewahren? Glaube, Hoffnung, Liebe und schöne Erinnerungen gehören unbedingt dazu, um, es ein wenig warm ums Herz habend, gut durch den Winter zu kommen – und durch die barftgaanslosen Wochen.