Zu den Arbeiten von Moritz Jason Wippermann im Kunstverein/Vernissage Samstag
„Schuhe gehören nicht auf den Tisch!“, pflegte meine Mutter zu sagen. Auch wenn man eine nagelneue Erwerbung nur vorführen wollte und dann ablegte – Schuhe hatten auch dann nichts auf diesem Möbel zu suchen, das brächte Unglück. Moritz Jason Wippermann kennt diesen Spruch offenbar nicht und wenn, so ist zu vermuten, hätte er sich nicht daran gestört. Er legt die gelben Laufschuhe, deren Sohlen zwar makellos weiß sind, die ansonsten aber sehr wohl benutzt aussehen, neben eine Ananaspflanze auf einem Tischchen ab. Gekrönt wird das Arrangement durch eine blaue Musikkassette. Das ist so ein Bild, auf das zutrifft, was der Maler aus Dresden sagt: „Einfach schauen und sich an der grundlosen Schönheit erfreuen.“ Das kann man machen, aber wie Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, hatte ich eine Erinnerung dazu parat. Und darf ich dem Künstler glauben, machen solche Anmerkungen ein Bild für ihn noch wertvoller, wenn einer seine persönlichen Sichten mit dem Künstler teilt, etwas hinzufügt an Erfahrung, Erlebtem oder auch nur Imagination.
Geboren 1991 in Halle/Saale, absolvierte der Künstler zunächst eine Ausbildung zum gestaltungstechnischen Assistenten und erwarb danach die Fachhochschulreife. Nach einem Jahr „travel and work“ in Neuseeland, wo er in Weinbergen bei der Lese half und später Straßenmusik machte, studierte er an der Hochschule Wismar Visuelle Kommunikation (Abschluss mit Diplom 2019). Auslandaufenthalte auf Kuba, in Lettland und Schottland erweiterten menschliche und künstlerische Horizonte. In den Jahren 2020/21 konnte der Absolvent mit dem Caspar-David-Friedrich-Stipendium arbeiten. Seit 2021 ist Wippermann, der aus einem künstlerischen Hause kommt, Mitglied des Künstlerbundes Dresden (BBK). Er beschickte zahlreiche Ausstellungen und erhielt Auszeichnungen, zum Beispiel den Grafikpreis der Leipziger Buchmesse.
Die Bilder von Moritz Wippermann arbeiten mit Unschärfen, Verwischungen, Verschwommenheit – aber sind nicht gerade das die wirklichen Konturen des Lebens? Seine Grafiken von Straßen und Plätzen in Halle oder Wismar scheinen ein Netz über sich gespannt zu haben. Schützt das? Und wenn ja, wovor? Da ist eine sympathische Unordnung präsent und auch die kräftigsten Farben kommen eher schüchtern daher. „Kunst ist Magie und befreit von der Lüge, Wahrheit sein zu müssen“, sagte der Philosoph Theodor Adorno. Das entspricht beinahe einer Aussage von Moritz Wippermann, der im Gespräch meinte: „… Dinge weglassen, Fehler einbringen, schludern – die Ansammlung von vielen kleinen Lügen schafft eine neue Ansicht.“ Kunst sei für ihn ein leerer Begriff, ergänzt er noch, und „eine Ausrede, etwas nicht erklären zu müssen.“ Er rede lieber von konkreten Dingen, Landschaftsmalerei, Theater, Musik.
Barbara Kaiser – 04. Juni 2024