Kurt Wiedenhoff informiert über die Arbeit der Uelzer Tafel. Foto:Fuge
Weiterhin große Nachfrage beim Team der Uelzer Tafel
Lauch, Brokkoli, Suppengemüse – unzählige Kisten voller Lebensmittelspenden stehen in der großen Halle an der Nothmannstraße. Kurt Wiedenhoff begutachtet ihre Qualität mit geübtem Blick. Seit Januar 2021 leitet der 65-jährige ehemalige Unternehmer die Tafel Uelzen, die 1998 von Gerard Minnaard gegründet wurde. Ihre Kernaufgabe bis heute: Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten. Und das funktioniert in ungebrochen großem Umfang: Vier bis fünf Tonnen Lebensmittel rettet das Team aus aktuell rund 120 Ehrenamtlichen Woche für Woche.
Rund 450-500 Ausgaben gibt es dabei innerhalb von sieben Tagen – mittwochs und samstags in Uelzen, dazu in Bad Bevensen und der Sankt Petri-Gemeinde, dienstags bereitet die Kochgruppe der Sankt-Marien-Gemeinde zudem ein Gemeinschaftsessen zu. In Sachen Lebensmittelrettung kann Wiedenhoff mit Freude feststellen: „Insgesamt bleibt die Menge weitestgehend konstant“. Die Supermärkte geben etwas weniger ab als früher, sie kaufen inzwischen straffer ein. Andere Spenden kommen von Privatpersonen und aus der Industrie, diese Menge nimmt eher zu.
Mit Sorge erfüllt Wiedenhoff jedoch die Zahl derer, die zum Retten, d.h. zum Abholen der Lebensmittel kommen – und eigentlich dringend darauf angewiesen sind. Mit dem Ukraine-Krieg stieg ihre Zahl exponentiell an. Waren es vor dem Krieg etwa 200 Ausgaben in der Woche, sind es inzwischen mehr als doppelt so viele. „Es kommen jedoch immer weniger Geflüchtete“, stellt der Tafel-Vorsitzende fest, „die Sprachkurse wirken, die Menschen sind zunehmend in den Arbeitsmarkt integriert.“ In einer Gruppe wächst jedoch die Not: „Es kommen immer mehr Witwen zu uns, im Alter zwischen 60 und 80 Jahren, wenn die Rente einfach nicht mehr reicht“, berichtet Wiedenhoff.
Generell sind etwa die Hälfte der Kundinnen und Kunden Familien, die andere Hälfte Alleinstehende. Viele von ihnen sind armutsgefährdet – ein Begriff, der in Deutschland erklärungsbedürftig ist: „Wer in Deutschland arm ist, verhungert nicht“, sagt Wiedenhoff. „Armut hier heißt, dass man nicht mehr am sozialen Leben teilhaben kann.“ Konkret bedeutet das: Wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens hat, gilt als armutsgefährdet – die Grenze liegt für Einzelpersonen derzeit bei rund 1380 Euro netto. „Viele kommen, weil sie sich bestimmte Dinge nicht mehr leisten können: einen Kaffee trinken mit Freunden, ein Buch kaufen. Das können wir abfangen – wenigstens ein Stück weit. Und gleichzeitig bewahren wir die Lebensmittel vor der Vernichtung.“
So manch Neues ist passiert seit dem Amtsantritt von Wiedenhoff: Die neuen Räumlichkeiten an der Nothmannstraße – vor zwei Jahren war der Umzug – sind geräumig und bieten ein „Mehr“ an Hygiene. Auch die Kundenverwaltung funktioniert inzwischen digital, es gibt entsprechende Ausweise für mehr Pragmatismus und Effizienz, aber immer ist klar: Immer geht es um den Menschen, um die Wertschätzung von Lebensmitteln und ein würdiges Miteinander.
Wiedenhoff blickt in die Halle, in der am nächsten Mittag wieder Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden – und erinnert sich an das, was er schon zu seinem Antritt als Vorsitzender sagte: „Ich wäre glücklich, wenn ich der letzte Vorsitzende wäre und die Tafel eines Tages überflüssig wäre.“ Inzwischen ist er sich jedoch sicher: „Das wird allerdings leider nicht so sein.“ [Janina Fuge]