Schlussakkord

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Fotos: B. Kaiser

Die 16. Internationale Sommerakademie der Lüneburger Heide ist beendet

Der Konzertabend leuchtete ohne Ausnahme. Die jungen Musikerinnen und Musiker spielten ihre Instrumente hingebungsvoll und intim-persönlich. Sie alle zeigten eine beeindruckende Präsenz, die die Dringlichkeit des immanenten Ernstes ebenso bewies wie die große Freude am Musizieren. Der emphatisch-schwärmerische Ton der Jugend war der Kammerton des Abends. Und das allererste Mal in 16 Jahren bedankten sich am Ende die Sprecherinnen (es waren nur junge Frauen) im Namen der Studierenden für die „wunderbare Zeit“, die sie in Oldenstadt verbringen durften. Eine Zeit des Lernens, des Miteinanders, des Erfahrungsaustauschs.

Blumen für Ostap Shpik aus der Ukraine…

Nun ist sie auch wieder Geschichte, die 16. Sommerakademie; beendet mit dem großen Abschlusskonzert im Langhaus Oldenstadt. Weil die vielen Danksagungen am Ende die Musik immer ein wenig zerreden, seien sie hier an den Anfang gestellt: Dr. Theodor Elster vom Vereinsvorstand bedankte sich bei allen Sponsoren und Unterstützern, ohne die die Veranstaltung in diesem qualitativ hochwertigen Rahmen niemals stattfinden könnte. Die Organisationshauptlast trug wie immer Birgit Alpers-Meyer, der mit den Jahren wechselnde, jedoch verlässliche Unterstützer zuwuchsen. Sohn Professor Hinrich Alpers hatte Dank zu sagen an alle seine Dozentenkollegen und das Orchester Wratislavia, das zum zwölften Mal geduldig mit den Soloinstrumentalisten die Werke einstudierte.

Die Haupteckpfeiler dieses Abschlusses waren die Violinkonzerte A-Dur und G-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart (KV 219 und 216). Es erklangen jeweils die ersten Sätze. Das ist Dur-trunkene Hochglanzmusik aus der Hochphase des Violinspiels. Ostap Shpik (Ukraine/23) und Yang Zheng (China/29) verliehen den Noten eine zauberhafte Leichtigkeit, sie blieben den tänzerischen Elementen nichts an schwungvoller Eleganz schuldig. 

… und für Huiming Zhang aus China

Den Auftakt durfte Wei-Fang Chen (Taiwan/22) mit dem ersten Satz aus Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op 15 gestalten. Das Orchester begann ein wenig brachial, aber die 22-Jährige besaß einen feinen Anschlag und entfaltete diesen Satz – noch Mozart-like – in wirkungsvoller Einfachheit. An die sehr ausführliche, virtuose Kadenz wagte sie sich aber offensichtlich nicht.

Die Klavier-Solo-Parts des Abends hatten allesamt eine sehr kontemplative Grundierung. Dabei verloren sich die Akteure jedoch nicht in grüblerischer Selbstzerfleischung. Shuri Soga (Japan/26) spielte den ersten Satz der Sonate a-moll von Franz Schubert. Die ist posthum erschienen und besitzt wohl eine Art Todesahnung, oder zumindest wie in Beethovens 5. Sinfonie das Anklopfen des Schicksals. Die Interpretin fand einen kraftvollen wie sensiblen Zugriff auf die Noten. – Danach Zihan Li (China/16) mit der Ballade Nr. 5 As-Dur von Frédéric Chopin. Die Partitur im durchgehenden Sechsachteltakt-Allegretto bearbeitet drei Themen und mehrere Variationen, um in prächtigen Schussakkorden zu enden.

Yang Zheng spielte mit dem Orchester Wratislawia aus Wrocław aus Mozarts Violinkonzert G-Dur

Huiming Zhang (China/25) legte sich danach aus Maurice Ravels „Miroirs“ „Une barque sur l`ocean“ – die Barke auf dem Ozean – aufs Notenpult. Hier wird des Komponisten Wunsch, Bilder in Musik zu übertragen, am deutlichsten. In diesem Vortrag perlte es, es rauschte, schwoll, gluckste, rollte Welle auf Welle. Aber das Meer blieb friedlich. – Ein besonderes Stück war ohne Zweifel Alexander Skrjabins „Prélude und Nocturne op. 9 für die linke Hand“, entstanden, als der Komponist durch zu vieles Üben seine rechte Hand zu schonen hatte, weil sie lädiert war. Clara Schina (Deutschland/28) wagte sich daran. Betrachtet man das Notenbild, offenbart sich eine unglaubliche Kompaktheit mit vier Kreuzen und später fünf b als Vorzeichen. Einfach staunenswert, dass das jemand mit nur der linken Hand zu spielen in der Lage ist. Clara Schina war in der Lage.

Die absolut letzten Noten des Abends durfte Zeling Shen (China/25) erklingen lassen: Den dritten Satz aus Beethovens Klavierkonzert Nr. 1. Das muntere „Rondo. Allegro“ stellte unter ihren Händen wahrscheinlich einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Die Solistin trieb das Orchester förmlich vor sich her, aber trotzdem verschluderte sie (fast) nichts. Sie verband mit kecker Lust das Polternde mit dem Perlenden. Und die Melodie ist ja sowieso ein schöner Rausschmeißer.

Dank der Studierenden für wunderbare Tage in Oldenstadt

Nun ist es also vorbei. Fine. Aber die 17. Ausgabe im Jahr 2026 steht schon fest: 30. Juli bis 09. August. Wünschen wir ihr wieder ganz viele, wohlwollende und interessierte Konzertbesucher.

Barbara Kaiser – 11. August 2025