Petruschka, vivat!

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Wunderbares erstes Akademiekonzert der Sommerakademie mit einem besonderen Glanzpunkt

Es ist ja immer so: Einer muss der Beste sein. Und diese Krone, die Goldmedaille, das oberste Treppchen, gebührte am Abend dieses ersten Akademiekonzerts Hans-Derek Yu mit seiner Interpretation „Trois Mouvements de Petrouchka“ (Drei Sätze aus Petruschka) von Igor Strawinsky. Die Klaviermusik zum Ballett des Russen aus dem Jahr 1921. Diese traurige Erzählung über einen Harlekin, der tragisch in die Ballerina verliebt ist, die aber dem Mohren den Vorzug gibt (rassistisch war der Begriff damals nicht besetzt!), und den Harlekin deshalb in einem Anfall von Eifersuchtsraserei tötet.  – Der 23-jährige US-Amerikaner brannte ein Feuerwerk ab, mit enormem Enthusiasmus und Mut zum Übermut. Er malte mit seinem Vortrag die Bilder: Sind es Marionetten, die zum Leben erwachen, oder sind es doch Menschen? Yu bot eine sinnensatte Tonkunst, die übers Ohr aufs Auge zielte. Vielleicht entlockte dem Zuhörer Artur Rubinsteins Klage, bei Strawinsky sei das Klavier ein Schlaginstrument, ein Lächeln. Der Komponist widmete das Werk trotzdem seinem Landsmann (Polen gehörte damals zum russischen Reich). Wahrscheinlich, weil es sowieso nicht jeder spielen kann, denn es ist eine der anspruchsvollsten und virtuosesten Klavierpartituren. Rubinstein spielte es – natürlich, genauso wie Tschaikowskys 1. Klavierkonzert. Jedoch nicht ohne auch dabei zu jammern über die Schwierigkeiten und die Behauptung, es sei unspielbar, weil zu schwer, in die Welt zu setzen. Hans-Derek Yu ist Meisterschüler bei Bernd Goetzke und es war ein Hörgenuss. Ob er so wie Rubinstein dachte?

Entig Zhu

Ansonsten war der Konzertabend eher klassisch-romantisch mit Beethoven, Mozart und Dvořak besetzt. Yeiin Lee eröffnete mit der Violinsonate G-Dur op. 30,3 von Ludwig van Beethoven. Die 25-jährige Südkoreanerin spielte den ersten Satz  (Allegro) mit Präsentierlust, ohne sich mit ihrem Begleiter Kensei Yamaguchi am Flügel auf einen Wettstreit einzulassen. Die Zar Alexander gewidmete Sonate hat kapriziöse Einfälle, hochfahrende Dreiklänge und Klavierseufzer, die schön zur Geltung kamen.

Danach setzte sich Zihan Li (China) ans Klavier für den 3. Satz der „Sturmsonate“ d-moll op. 31,2 des Komponisten. Die erst 16-Jährige vollbrachte das Stück klanglich attraktiv, ein bisschen brachial vielleicht. Ihr Ausdrucksarsenal gefiel sich im Forte – also mehr das Pferd vorm Fenster, das Beethoven angeblich beim Komponieren gehört haben soll; Ansätze für Zartes gab es jedoch ohne Zweifel.

Enting Zhu aus China interpretierte Antonin Dvořaks Ballade op. 15, diese melancholische Musik, die wohl eine Erinnerung des Komponisten an Schottland sind. Die 18-jährige Geigerin trieb die Noten in Regionen, wo Musik Aufruhr ist oder – Gefühl.

Hans-Derek Yu am Flügel

Nach der Pause Mozart. Sein Klavierquartett Es-Dur KV 493. Die Sätze Allegro, Larghetto und Allegretto teilten sich bei der Violine Tara Iman Bongardt (19/Deutschland), Yang Zheng (29/China) und Yeiin Lee (25/Südkorea). Den Klavierpart übernahmen die beiden Taiwanesinnen Ting-Yi Liu und Wie-Fang Chen (20/22 Jahre). Ganz sicher und freundlich geführt wurden die Studentinnen von Carolin Frick (Viola) und Mark Schumann (Violoncello). Das Quartett bot ein fein und achtsam ausbalanciertes Miteinander, ästhetisch, voller Eleganz. Beim Larghetto fielen Streicher und Klavier ein wenig auseinander, da mangelte es am energischeren Zugriff, um die Spannung zu halten. Ansonsten aber war Mozarts Werk in dieser Aufführung, was es ist: Ein freundliches Stück Musikliteratur, unmittelbar entstanden nach dem „Figaro“. Das auf die solistische Qualität des Klaviers setzt, aber voller lyrischer Töne und melodisch weit ausgesponnener Themen ist. „Well done“, sagt der Engländer. Es war ein vielversprechender Abend.

Barbara Kaiser – 04. August 2025