Das 9. St.-Marien-Sommerkonzert schloss mit Christoph Schoener an der Orgel die Reihe für 2025 ab
Es sei, so Schoener im Gespräch „eine große Konzentrations- und Kraftanstrengung“. Der Organist spielte eine „logische Auswahl“ (Erik Matz), weil alles natürlich den Zeitrahmen deutlich gesprengt hätte. – Albert Schweitzer nannte diesen Teil III eine „Orgelmesse“, weil die Stücke wie ein Gottesdienst aufgebaut sind. Von den 21 Choralbearbeitungen durch das Kirchenjahr (BWV 669 – 89) hatte Schoener zehn auf dem Pult, gerahmt von Präludium und Fuge in Es (BWV 552).
Der Gast begann mit explosiver Energie. Er hatte viele Register auszuspielen und tat das so sicher wie leidenschaftlich. Erik Matz gab sehr kurze, zielführende Erläuterungen zu den jeweiligen Noten. Man darf sich den Titel „Übung“ nicht wörtlich denken, das sind keine Etüden im Cerny`schen Sinne, sondern sie sollen für den Spieler (und Hörer) ein geistig-geistliches Exerzitium sein. Die einzelnen Teile sind hochkomplexe erfindungsreiche Musik, also nicht nur runterzuspielen. Zudem kann man den Text mitdenken.
Ich mag ja so manche dieser alten Strophen. Wenn es zum Beispiel heißt: „Nun ist groß Fried ohn Unterlaß,/ all Fehd hat nun ein Ende.“ Aktueller könnte doch der Wunsch nicht sein, egal, ob man „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ (BWV 676) singt oder in die Gegenwart schaut. „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (BWV 686) ist sechsstimmig! Zwei Stimmen für jede Hand und zwei im Pedal. Die Kunstfertigkeit des Organisten ist zu ahnen. Oder BWV 688: „Jesus Christus, unser Heiland, der von uns den Gotteszorn wand“. Über 118 Takte ist einer sehr wütend; schnelle Tonsprünge umtoben, wie ein böser Kobold, eine langsame, beruhigende Melodie. Das Ende ist ein versöhnender Schlussakkord in Dur.
Mit der Fuge am Ende zeigt Christoph Schoener noch einmal, wie schlicht, lichtumstrahlt und schlüssig Bachs Musik ist. Es-Dur war Beethovens Lieblingstonart, seine dritte Sinfonie, das fünfte Klavierkonzert, viel Kammermusik und einige Sonaten stehen in dieser Tonart. Und auch bei Bach ist das Es-Dur der Fuge eine große Feier, die in dröhnendem Fortissimo endet. Bei dem größten Komponisten des Barock natürlich zu Gottes Ehren. Christoph Schoener bot ein intensives Spiel mit Furor und fröhlicher Radikalität, glänzend, aber überhaupt nicht exzentrisch. Ein wirklich angemessener Abschluss der Sommerkonzertreihe.
Barbara Kaiser – 31. August 2025