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Zwei neue Gedichtbüchlein voller Witz, Doppelsinn und Schelmerei
Ehe Sie sich verlieben, liebe Leserinnen und Leser, für die bezaubernde Dalmatinerhündin Lara auf den Covern der zwei neuesten Gedichtbände von Jürgen Trumann ist leider ihr kürzlicher Tod anzuzeigen. Unsterblich aber ist sie geworden, indem sie die beiden Titel der insgesamt 147 Gedichte illustriert: „Dichtebei“ und „Dichterbei“ – bei Fuß sozusagen. Der Poet aus Uelzen traf beide, Hund und Herrchen, beim Kaffee am Herzogenplatz.
Die Titel simulieren Nähe. Wo sagt man eigentlich überall „dichtebei“, wenn man nahe beieinander meint? Herr Google kennt es nicht, sondern belehrt gleich über die „Dichte Blei“. Doofe KI, die nicht unterscheidet zwischen Gefühl und Schwermetall. Und nach „Dichterbei“, der Steigerung oder dem Substantiv Dichter – hier kann man frei erörtern – habe ich gleich gar nicht geschaut. Aber das ist jetzt abgeschweift… Zwei neue Bändchen mit Lyrik gibt es also. „Straßen- und Stubengedichte“ zwischen Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter. So wie der Fahrplan oder die Modekataloge die Saison wechseln.
Warum schreibt jemand im Heute, das hetzt zwischen Immerschneller-SMS und Immerkürzer-WhatsApp, Gedichte? Obendrein welche, die sich reimen und die auf banalste Alltäglichkeit noch witzig-kluge Wortspiele finden. Jürgen Trumann tut es und geht der Sprache auf den Grund. Er schützt sie vor den Abgründen der Schluderer und uns, den Lesern, tut das gut. Deshalb seien Trumanns Reime empfohlen, die elegant und facettenreich daherkommen, die fabuliertoll und illusionstapfer daran glauben, sie fänden zahlreiche Liebhaber, die innehalten und der deutschen Sprache nachlauschen. Man muss wirklich nachlauschen; ich habe manche Gedichte dieser zwei Bändchen sogar laut gelesen und den Sprachschwingungen nachgehört:
„Hundstage. Nach Schattenplatz stand mir der Sinn./ Die Eiche bot ihn nicht zu klein./ Kaum, dass ich ihr zu Füßen bin, da wirft sie mir ein Stöckchen hin./ Was tat ich, ihr ein Hund zu sein?!“ Oder: „Zuflucht. Vier Frauen in der Bar/ mit unverhülltem Haar./ Unmöglich in Afghanistan/ bis tödlich im Iran./ ‚Nur Deutsch die ganze Zeit!‘/ ist neue Wirklichkeit -/ und schwere Denkarbeit./ Für Stunden sind die Vier/ einander Heimat hier.“ Und: „Versäumt. Kastanien, Eichen und Platanen/ bieten prächtige Alleen./ Birken lassen diese ahnen,/ wo sie, Wege säumend, stehen./ Während in der Lindenstraße/ Linden angemessen grünen,/ kann jedoch die Ebert-Straße/ nicht mit Ebert-Eschen dienen.“
Jürgen Trumann, Jahrgang 1962, ist ein poetischer Schwärmer. Lakonisch, komisch, stilistisch fein und manchmal nachdenklich. Der Dichter ist ein Bildermaler, ihm fügen sich Farben, Namen und Klänge zu einem Gewebe. Manchmal nimmt er humorvoll die Sprache beim Wort (das kennen wir von Heinz Ehrhardt) und ist auf gedankliche Essenz aus. Er feilt an einer Formulierung, bis sie klingt.
Die Leser:innen erkennen Trumann als genauen Beobachter. Und tatsächlich ist er viel unterwegs in der Stadt. Er spricht die Menschen nicht an, er schaut genau hin. Und trotzdem erfährt er so viel über sie; mehr, als wenn er lange „Smalltalks“ hielte. Natürlich jedoch ist er mit Laras Herrchen ins Gespräch gekommen und wird die Trauer über den Verlust der Hausgenossin teilen. Vielleicht gibt es auch ein Gedicht dazu, wer weiß. Seine Gedichte mit Tieren, sind sie ein Limerick, also eins von diesen charakteristischen Fünfzeilern, heißt Gzimerick – Sie wissen schon, nach dem berühmten Tierschützer und Serengeti-Retter.
Das Gedicht auf Lara ist kein Limerick, sondern kreuzgereimt:
„Die Hündin aus Dalmatien/ zählt, trotz recht hohen Alters,/ noch immer zu den Grazien/ des Orts, ist Stolz des Halters./ Beim kaffeebraun gefleckten Fell/ mutmaßt, nur Koffein im Sinn,/ ein sie bewundernder Gesell:/ Gewiss Dallmayrtinierin.“
Ein schöner Nachruf, oder? [Barbara Kaiser]