Foto: BaumFachWerk
Wie erreichen manche Bäume ein so hohes Alter?
Wir alle wissen, dass Bäume langlebige Organismen sind. Jeder hat schon von „tausendjährigen Eichen“ gehört – dabei sind diese Exemplare meistens „nur“ mehrere hundert Jahre alt (was ja an sich schon sehr beeindruckend ist). Der älteste lebende Baum ist eine Kiefer in den USA mit einem Alter von 4.960 Jahren.*
Anekdote: Vor einigen Jahren publizierte ein schwedischer Wissenschaftler, dass in Nordschweden eine Fichte mit über 10.000 Jahren entdeckt worden sei. Bei genauerer Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass die Bäume vor Ort nur einige hundert Jahre alt sind – nur der Wurzelstock weist ein höheres Alter auf. Allerdings auch nicht 10.000 Jahre, denn zu dieser Zeit war die Region noch eisbedeckt und daher baumfrei.
Aber warum können Bäume dieses erstaunliche Alter erreichen, während wir Menschen mit durchschnittlich etwa 80 Jahren ein vergleichsweise frühes Ende finden? Das Geheimnis liegt in der Zellteilung beziehungsweise Zellbildung. Auch Säugetiere – also wir Menschen – erneuern ihren zellulären Aufbau. Allerdings nimmt die Fähigkeit zur Zellteilung im Alter immer weiter ab.
Bäume hingegen haben dieses Problem nicht. Im Kambium werden permanent neue Stammzellen gebildet, die ihre eigentliche Funktion erst später entwickeln. Jedes Jahr entstehen neue Leitungsbahnen für den Wassertransport, neues Laub, neue Wurzeln und neue Triebe. Altes stirbt ab, und Neues baut darauf auf. Durch diesen modularen Aufbau ist ein Baum in Teilen immer höchstens ein Jahr alt. Theoretisch könnten Bäume so unendlich alt werden. Dass dies nicht der Realität entspricht, wissen wir jedoch.
Bäume sind unbewegliche Lebewesen, die sich ständig an verändernde Standortbedingungen anpassen müssen. Klimatische, biologische oder menschengemachte Einflüsse erfordern immer wieder neue Strategien zum Überleben. Wurzeln sterben ab und verringern die Versorgung des Baumes; Verletzungen erfordern Energieeinsatz zur Abschottung oder Kompensation usw. Die dafür notwendige Energie – produziert durch Fotosynthese – verringert den Energievorrat, der für den Neuaufbau des Baumgerüsts benötigt wird. Irgendwann kippt das Verhältnis von Energieaufbau und Energiebedarf, und der Baum stirbt ab.
Manchmal ist es notwendig, den Baum zu beschneiden, denn wir wollen unsere Lebensverhältnisse sicher gestalten und Gefahren abwenden. Tote oder gefährliche Baumteile müssen entfernt werden. Unser Grundstück soll für uns nutzbar sein, und deshalb sind zum Beispiel Einkürzungen von Kronenteilen notwendig. Wir wissen nun aber, dass jeder Eingriff die Lebenserwartung des Baumes erheblich verringern kann – insbesondere, wenn die Maßnahmen nicht fachgerecht durchgeführt werden.
Wenn Sie vor solch einem Problem stehen, wenden Sie sich bitte an ausgebildete Baumexperten. Lassen Sie sich beraten und finden Sie gemeinsam eine Lösung, die für Sie und den (langlebigen) Baum und für nachfolgende Generationen das Beste ist.
Noch eine Anekdote: In Großbritannien findet man deutlich ältere Bäume, obwohl Baumarten und klimatische Bedingungen mit Deutschland vergleichbar sind. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in unserer Mentalität, alles sicher und berechenbar gestalten zu wollen.
*Quelle: Andreas Roloff, Handbuch Baumdiagnostik, Ulmer Verlag 2015