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Feuilleton News

Posthume Lobpreisung für den Jubilar – Reinhard Schamuhn wäre 85 geworden, was nicht vergessen ist

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Es gab ein „Cha-Cha-muhn“ auf der Posaune in herrlichem Groove (Musik: Vater und Tochter, Hans-Malte und Lina Witte) und viele schöne Worte. Die Stadt Uelzen hat sich endlich durchgerungen, wenigstens einen Mini-Platz, ein „Plätzchen“, Reinhard Schamuhn zu widmen – immerhin -, wofür der Künstlerkollege Georg Lipinsky eine Keramiktafel gestaltete. Mit Eifelturm – natürlich, einer Uhl – klar, St.-Marien-Turm und Weihnachtsplätzchen – die Anspielung auf die Kleinlichkeit der Stadt, die sich vor Jahren einen recht un-mutigen Beschluss auferlegte, Straßen nicht mehr nach Personen zu benennen. Erspart man allen Historikern die Nachforschungen nach den dunklen Punkten der Persönlichkeiten!

Zwei Stunden lang wurde an der Rosenmauer des Unikums gedacht, und die ganze Zeit über kam ich nicht umhin, mir vorzustellen, wie Reinhard Schamuhn auf seiner Wolke sitzt, mit den Beinen baumelt und sich eins feixt. So ein leises, feines Schamuhn-Grinsen. Nein, kein böses Lächeln. Obwohl dort auf dem Podium in seinem Kreativen Speicher auch Leute saßen und ihm Elogen-Kränze flochten, die es zu seinen Lebzeiten eher nicht mit ihm hatten. Von denen er keine Unterstützung, vielleicht sogar den bewussten Knüppel zwischen die Beine bekam. Trotzdem ein nachsichtiges Schmunzeln…

Schamuhn wäre an diesem 1. Oktober 85 Jahre alt geworden! Das verrückte Huhn, der selbsternannte Schamahne, der Künstler und Kulturorganisator, der Mensch – der über niemanden je ein hinterhältiges Wort zu sagen hatte, seine Angriffe kamen immer frontal. Er hatte mir einmal gesagt: Wenn ich keine Mittel von der Stadt kriege, muss ich auch nicht danke sagen. Und eigentlich weiß es ja keiner, wie er es immer wieder hingekriegt hat, jeden Samstag in seinem Theaterchen eine Veranstaltung anzubieten und den Künstlern nie ihre Gage schuldig geblieben zu sein. Das sagte er mir auch.

Talkrunde (von links): Otto Lukat, Ute Lange-Brachmann, Moderator Johannes Vogt-Krause, Jens Kunze, Georg Lipinsky und Horst Saevecke.

In einer Reihe des NDR wird in verschiedenen Städten an Menschen erinnert, die man nicht vergessen sollte: „Remember me“, so der Titel. Nebenbei: Warum eigentlich wieder ein englischsprachiger Titel? Wäre „Vergiss mein nicht“ zu sehr gehobene Sprache? Oder „Gedenke mein“? Der Verein „Neues Schauspielhaus“ jedenfalls, die tapferen Nachfolger des vor elf Jahren gestorbenen Theatergründers, bewarben sich und erhielten den Zuschlag. So saßen also Leute auf der Bühne, die in diesem Sinne, des Nicht-Vergessens, etwas beizutragen können glaubten. In der Moderation von Johannes Vogt-Krause, dem heutigen Vereinsvorsitzenden, fanden sich für den Lorbeerkranz zusammen Otto Lukat (ehemaliger Bürgermeister), Ute Lange-Brachmann (damals Kulturmanagerin), Georg Lipinsky (Künstler), Horst Saevecke (Bauunternehmer) und der treueste aller (ehrenamtlichen) Mitarbeiter, Jens Kunze.

„Ein alter sympathischer Gaukler“, sagte einer in Hannover mal über Reinhard Schamuhn. Und der einstige City-Manager Joachim Lotz prostete ihm anlässlich irgendeiner Feier zu mit dem Satz: „Bleiben Sie, wie Sie sind!“ Genau, hätte man rufen mögen! Ein bisschen gegen den Strich gebürstet, mit einem Quäntchen Provokation in seinem Tun, unermüdlich in Sachen gehaltvoller Kleinkunst unterwegs, ein Ulenköper in der Ulenköperstadt, der den Leuten schon manchmal den Spiegel vorhielt. Wie viele mögen aufgeschreckt aus ihrem Schlaf der Gewohnheit gefahren sein?

Wenn Reinhard Schamuhn erzählte, dann glaubte der Zuhörer sich in 1001 Nacht oder bei Baron Münchhausen zu Gast. So unwahrscheinlich, üppig und fantasievoll war das alles, was der Lebenskünstler auf die Beine, nein, auf Bühnenbretter meist, stellte. Er hat das Unmöglichste möglich gemacht. Er wurde belächelt, für verrückt erklärt, nicht ernst genommen oder alles zusammen. Er hatte seine Unterschrift diesem Umstand angepasst und signierte seinen Schriftwechsel mit „Schamane Schamuhn“ oder „das verrückte Huhn“ oder nur „mit frisch-fröhlich-schamanischen Grüßen“.

Das kann keiner verstehen, der das Leben bierernst nimmt und nicht wenigstens hin und wieder als ein Theater versteht. In dem Sinne, wie es Shakespeare meinte. Ein bisschen Selbstdarstellung, ein Quäntchen Freude, eine Unze Verrücktheit und ganz viel Nutzen. Für sich und andere. Außerdem sitzt man bei Spöttern sowieso lieber als bei Göttern! Und da war man bei Schamuhn richtig! Sein Neues Schauspielhaus hat den Tod des Spaßmachers überlebt und ist nun schon 46 Jahre alt (1978, neueröffnet 1998). So chaotisch es in des Gründers Leben zuging, so akribisch kommen seine Lebensdaten daher: Geboren am 1. Oktober 1939. Gestorben am 1. Juli 2013. Über sieben Jahrzehnte hatte sich Schamuhn die Illusion bewahrt, es könnte eine Kultur geben. Als Angebot für alle – das vor allem – und im Umgang miteinander. Dass die Realität diesem Wunsche oft genug Hohn spricht, in letzter Zeit mehr denn je, war für ihn kein Grund für Verzagtsein. In Frack und Zylinder sah der Schamane immer gut aus. Dass er die Schauspieldirektoren-Robe allerdings so plötzlich und zu früh endgültig an den Nagel hängen würde, hatte alle erschreckt.

Georg Lipinsky mit der Tafel für das „Schamuhn-Plätzchen“, 20 Meter vom Neuen Schauspielhaus entfernt.

Nun also die Erinnerung als Talkrunde. Wer Schamuhn nicht kannte oder ihn nur aus einem Blickwinkel sah, wird ihm sowieso nicht gerecht. Mühe gegeben haben sich aber alle auf dem Podium, es war ganz, ganz wenig Selbstdarstellung dabei. Es wurde diskutiert über seinen Einfluss auf das kulturelle Leben der Stadt; er hat seine Position immer behauptet neben dem Kulturkreis oder der KulturnHalle, führte sein Haus für Kleinkunst, die oft genug große Darbietung war, unbeirrt und mischte sich auch politisch ein. Klar, es gab auch Flops, Blamagen gar. Was der kleine große Mann jedoch hinterlassen hat, wiegt es allemal auf.

Vielleicht brachte es Vogt-Krause auf den Punkt, indem er sagte, er sei ein „Aktionskünstler, ein Lebenskünstler (gewesen) – die vielleicht tragische Figur dahinter müssen wir nicht schwergewichten.“

Reinhard Schamuhn habe fasziniert und polarisiert, so die Rede, für die meisten bleibe er „das bunte Huhn“. Er sei der „Hofnarr Uelzens gewesen“, war sich Georg Lipinsky sicher; und sage jetzt keiner, wir bräuchten keine Narren, die uns weise und sanft belehren! Die wahren Narren – nicht die vielen aus Politik und Wirtschaft!

Es wird weiter gehen im Haus an der Rosenmauer. Auch dank solcher Sponsoren wie Horst Saevecke, der sagte, „aus dem, was man bekommen hat, muss man was machen“, und der als Bauunternehmer Kultur für dringend förderungswürdig hält. Weshalb er dem Konto des Vereins 4000 Euro gutschrieb. Das ist eine Paarung, die keineswegs selbstverständlich ist.

Am Ende war dieser Gedächtnisabend für einen, der sein Leben der Aktion, der Kunst verschrieb, auch ein kleiner Lichtblick und Ausblick auf weiteres Gelingen. In Schamuhns Sinne.

Barbara Kaiser – 03. Oktober 2024

Reinhard Schamuhn hier an seinem 70. Geburtstag. Er starb eigentlich viel zu jung: 1. September 1939 bis 1. Juli 2013.

Bestattungshaus Kaiser