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Feuilleton News

Mit überzeugend-lebendiger Kraft

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Foto: Barbara Kaiser

St.-Marien-Kantorei interpretierte mit Solisten und Orchester die Matthäus-Passion von Carl Philipp Emanuel Bach

Das Verhältnis von Vätern zu Söhnen ist ja nicht konfliktfrei. Handelt es sich um berühmte Väter, tragen deren Söhne oft schwere Last. So hatte beispielweise August von Goethe praktisch nie ein eigenes Leben; vielleicht nur in den sorgenfreien Monaten, für die sein Vater endlich seine italienische Reise genehmigte. Wo der Sohn – noch vor dem Vater – starb… Für die Söhne von Johann Sebastian Bach mag es ähnlich gewesen sein – wie frei waren die in ihren Entscheidungen? Wie sehr fühlten sie sich verfolgt vom Genie des Vaters?

Deshalb ist es recht und billig, dass sich Kantor Erik Matz einmal des Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach (1714 bis 1788) angenommen hat. Mitten in der Fastenzeit, obgleich Karfreitag noch ein Stückchen hin ist, führte er mit seiner Kantorei, Solisten und Orchester dessen Matthäus-Passion auf. Es war ein interessantes Stück Musik, eine Melange aus Stücken des Vaters Johann Sebastian (1685 bis 1750), Partituren von Gottfried August Homilius (1714 bis 1785) und Georg Anton Benda (1722 bis 1795) und eigenen Kompositionen. Es war ein gelungenes Konzert, 90 Minuten des Innehaltens, des Lauschens, der Identifikation.

Erik Matz und Dorothea Fiedler

Erik Matz und Dorothea Fiedler

Den Bogen spannt der Sohn von den uns bekannten Klängen Johann Sebastian Bachs bis hin zu Klängen der Frühklassik. Im Jahr 1781 lebte Beethoven schon, und Goethe hatte mit dem „Werther“ längst Furore gemacht! Der 60-minütigen Passion voran stellte Matz die Kantate „Himmelskönig, sei willkommen“ (BWV 182). Wie die Werkzahl verrät, ist es eine frühe Komposition. Neben der St.-Marien-Kantorei standen Sarah Hanikel (Sopran), Helena Poczykiwska (Alt), Manuel Günther (Tenor), Konstantin Heintel und Florian Günther (Bariton) bereit. Als Barockorchester musizierte das „Ensemble historisch 21“ mit Konzertmeisterin Galina Roreck. Instrumentalsolisten waren Dorothea Fiedler-Muth (Violine), Peter Holtslag (Flöten) und Joachim Vogelsänger (Truhenorgel). Gefördert war dieses Konzertprojekt vom Lüneburgischen Landschaftsverband.

Helena Poczykowska

Es begann in Dur und sehr aufgeräumt. Der Verrat und die schrilleren Töne würden später kommen. Bereits die ersten Konzertminuten bewiesen die vorzügliche Balance, die Orchester, Solisten und Kantorei über die gesamte Zeit beibehalten würden. Erik Matz am Pult regulierte die Lautstärken und Einsätze präzise, alle Akteure waren in der Lage, ihm mühelos zu folgen. Es ist erfreulich, dass sich der Kantor in nunmehr 30 Jahren in Uelzen nicht kleinmahlen lässt zwischen den Mühlsteinen, die man Routine nennt!

Es wurde hingebungsvoll und anmutend  persönlich musiziert. Die technische Perfektion der Sänger:innen und Instrumentalisten ermöglichte eine Ausdrucksintensität voller Geschmeidigkeit  und Opulenz. Nirgendwo gab es nur limitiertes Niveau. Mit lebendiger Kraft und lyrischem Ausdruck erzählten die Solisten und der Chor die Geschichte Jesu. Wunderbar grundiert die Baritone, standsicher der Tenor, die Frauenstimmen zuverlässig geschmeidig. – Was für eine Musik erklang da? „Modern“ wäre das falsche Wort dafür; Johann Sebastian Bach ist bis heute frisch, überraschend und modern. Vielleicht trifft es das Wort „anders“. Es gibt da immer noch die Gewalt der Chöre, die aber nicht mehr barock-schwer sind, und die Eindringlichkeit der Rezitative. Alles ist lichter und doch kompakt.

Manuel Guenther

Natürlich kennt jeder Zuhörer die alten Texte. Und dennoch erschrickt man immer wieder aufs Neue über die Radikalisierung eines Mobs, über die Verleugnung und den schnellen Verrat ehemaliger Vertrauter. Die Sängerinnen und Sänger führten die Handlung sehr beeindruckend vor; die Anklage, das Verstecken und die Feigheit, den Hass. So gesehen war die Konzertstunde wiederholt auch ein Lehrstück.

Barbara Kaiser – 24. März 2025

 

 

Bestattungshaus Kaiser