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Fritz Reuter – ein Portrait

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Fotos: Angelika Schröder

Wenn eine Schule einen Namen erhalten soll, denkt man immer an eine große Persönlichkeit, um sie zu ehren und die Leute daran zu erinnern, was er oder sie Großartiges getan hat.

Letztes Jahr war so ein Jahr – der 150. Todestag von Fritz Reuter, dem großen norddeutschen Literaten, der ganz viel über Land und Leute geschrieben hat – und das auf Plattdeutsch.

Nun haben wir in unserer Region zwei Schulen, die nach dem berühmten Schriftsteller benannt sind – die Fritz-Reuter-KGS in Bad Bevensen und das Fritz-Reuter-Gymnasium in Dannenberg. Und es gibt auch einen Fritz-Reuter-Weg in Bad Bevensen. Ob nun die Schulen eine Gedenkfeier zu Ehren ihres Namensgebers abgehalten haben, damit auch die Schüler sich daran erinnern, warum ihre Schule so heißt wie sie heißt, weiß ich nicht. Aber eine Gruppe von 27 Leuten aus Lüneburg und Umgebung haben letztes Jahr einen Ausflug gemacht und sind fünf Tage auf den Spuren von Fritz Reuter gewandelt.

Wer war denn nun Fritz Reuter? Gelebt hat er von 1810 – 1874. Geboren und aufgewachsen ist er in Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpommern. Er ist der Sohn von Johanna Reuter, geb. Ölpke, und dem Bürgermeister von Stavenhagen Georg Johann Jakob Friedrich Reuter, der 37 Jahre lang für das allgemeine Wohl der Stadt gesorgt hat, auf dass sie größer wurde und auch die landwirtschaftliche Situation besser.

Fritz Reuter ist recht dünn und hat so gar keine Lust, zur Schule zu gehen. Seine Mutter unterrichtet ihn im Schreiben und Lesen und nur ab und zu geht er zu einer richtigen Schule. Leider stirbt seine Mutter recht früh – Fritz ist da erst 15 Jahre alt. Es macht ihn sehr traurig, weil er seine Mutter besonders lieb hatte. Sein Vater hingegen ist sehr streng. Er will, das Fritz mal Rechtsanwalt wird und deshalb schickt er ihn auf die Gelehrtenschule nach Friedland und vier Jahre später nach Parchim auf das Friedrich-Franz-Gymnasium.

Vater Reuter fragt ständig beim Lehrer und seinem Cousin, der mit Fritz zusammen in der Schule ist, nach, ob Fritz ordentlich lernt. Aber Fritz hat viel mehr Lust und Interesse an Musik und Zeichnen, und er mag viel lieber den ungezwungenen Umgang mit anderen Leuten. Außerdem will er eigentlich Maler werden.

Aber 1831 erhält er dann doch sein Abiturzeugnis. Darin heißt es: „Sein Betragen: Er war sehr bemüht, die Zufriedenheit seiner Lehrer zu gewinnen. Seine Kenntnisse in fremden Sprachen – nicht völlig genügend, in der Mathematik – genügend, in Geschichte – genügend.“ Trotzdem reicht es für den Besuch der Universität.

Cousin August ist dann auch wieder dabei, als Aufpasser sozusagen, der Vater Reuter immer berichtet, dass Fritz nicht so viel studiert und so lautet das Zeugnis auch nur: „Aufenthalt studierenshalber.“ Das verärgert Vater Reuter sehr. Aber auch Fritz legt sich mit seinem Vater an, weil immerzu „Wächter“ um ihn herum sind, die aufpassen, was er tut und er nie die Gelegenheit hat, selbst zu bestimmen, was er machen und lernen will.

1882 wechselt Fritz Reuter an die Uni nach Jena, wo er in die studentische Burschenschaft „Germania“ eintritt, weil er total begeistert ist von der freigeistigen Lebensweise, der Pressefreiheit, und dass man seine eigene Meinung öffentlich sagen kann. Aber diese „demokratischen Flusen“ haben Politiker in jener Zeit gar nicht so gern. Sie erlassen das sogenannte „Demagogengesetz“ und die Geheimpolizei verfolgt alle Leute, die anders denken und sperrt sie ein.

[Angelika Schröder]

Fritz Reuter ist schon in Berlin und gehört der Germania eigentlich nicht mehr an, aber er wird verraten, und so wird er festgenommen (31. Oktober 1833) und ein Jahr später auf die Festung Silberberg (heute in Polen) gebracht (November 1834), wo er im Dunkeln bei eisiger Kälte und Feuchtigkeit in einer Einzelzelle leben muss.

Seine Gesundheit ist bald miserabel. 1837 wird er zum Tode verurteilt und zugleich begnadigt zu 30 Jahren Festungshaft. Erst ist er in Groß-Glogau, dann kommt er nach Magdeburg, die schlimmsten Haftumstände der ganzen Zeit. Die Behandlung ist so erniedrigend und die hygienischen Umstände katastrophal.

Der alte Reuter macht viele Eingaben und schreibt Bittanträge, um für seinen Sohn erträgliche Haftumstände zu bekommen. 1838 ist es endlich soweit. Fritz kommt in die mecklenburgische Festung Dömitz, wo es besser auszuhalten ist. Wegen einer allgemeinen Amnestie wird er am 25. August 1840 entlassen. Er ist 30 Jahre alt, hat in sieben verschiedenen Festungen gesessen und ist ein gebrochener junger Mann, an Leib und Seele sehr krank.

Nach einiger Zeit, nachdem er aus der Haft entlassen worden ist, versucht er noch einmal Anfang November in Heidelberg ein Studium aufzunehmen, aber er schafft nicht, das Lernen für das Studium und sein eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen. Erst gerät er in eine Schlägerei, dann macht er Schulden und dann fängt er mehr und mehr das Trinken an.

Weil das so nicht weitergehen kann, holt sein Vater ihn zu seinem Onkel, dem Pastor Ernst Reuter, nach Jabel, einem kleinen Dorf in der Nähe von Malchow. Hier geht es ihm ganz langsam wieder besser. Die Familienidylle ist hilfreich für seine angegriffene Gesundheit und nun hat er den Wunsch, Landwirt zu werden auf dem großen Hof seines Vaters. Aber das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist mittlerweile so belastet, dass sein Vater das ablehnt.

Dafür holt er Fritz als Voluntär („Strom“) zum Arbeiten in die Landwirtschaft des Gutspächters Franz Rust nach Demzin, nahe von Stavenhagen. Fritz bleibt dort von 1842 bis 1845. Hier lernt er Fritz Peters kennen, auch ein Pächter, und mit ihm entsteht eine enge Freundschaft. Später sagt Reuter mal über diese Zeit: „Ich segne die Landwirtschaft, sie hat mich gesund gemacht und hat mir frischen Mut in die Adern gegeben.“

In dieser Zeit macht Fritz Reuter auch die Bekanntschaft von Hoffmann von Fallersleben. Reuter ist ein gemütlicher Zeitgenosse, immer gut gelaunt, erzählt all seine Erlebnisse aus seiner Festungszeit mit großem Humor, besonders über die in Dömitz, sodass die Leute ihm mit viel Vergnügen stundenlang zuhören können.

Von Fallersleben überredet ihn, seine Gedanken aufzuschreiben und das macht Reuter auch – lustige Gedichte, kritische und satirische Erzählungen über Land und Leute, was er auch an die Zeitungen gibt. Und er nutzt dazu die plattdeutsche Sprache, obgleich zu Hause in seiner Kindheit Hochdeutsch gesprochen wurde und nur mit den Knechten und Mägden Plattdeutsch.

Im Herbst 1845 verliebt sich Fritz Reuter in Luise Kuntze, die Tochter eines Pastors, die im benachbarten Dorf Kinder betreut. Er will sie heiraten und ein Gut kaufen, um eine Familie zu gründen, aber sein Vater ist dagegen, versagt ihm sein Erbteil und stellt ihn unter Vormundschaft. Diese soll drei Jahre dauern. In dieser Zeit soll Fritz Reuter sehr fleißig sein, seinen Lebensunterhalt selbst verdienen, nicht heiraten und wenn er das nicht einhält, soll er höchstens sein Pflichtteil bekommen. Das schmeißt Fritz total aus der Bahn und er fängt wieder das Trinken an.

Hilfe kommt erneut von seinem Onkel in Jabel, danach von der Familie Peters in Thalberg bei Treptow an der Tollense, Reuters guten Freunden, und so kann er dort eine Zeit lang bleiben. Eine große Hilfe und Stütze ist ihm auch Luise. Nach einigem Zögern nimmt sie seinen Heiratsantrag an und im Mai 1847 verloben sie sich.

Um das Testament seines Vaters einzuhalten, trennen sie sich. Luise geht nach Ludwigslust, Fritz bleibt in Thalberg, macht dann, nach einem erneuten Trunksuchtsanfall eine Kur in Bad Stuer und wohnt danach bei seiner Schwester Sophie in Stavenhagen, die er auch sehr liebt.

Zehn Jahre hat Fritz Reuter gebraucht, bis er halbwegs wieder auf die Beine gekommen ist. Auf Anraten seiner Freunde zieht Reuter im April 1850 nach Treptow an der Tollense und wird hier Privatlehrer für Turnen, Zeichnen und anderen Unterricht. Er plant sogar Turngeräte für die Kinder, weil Turnen ihm sehr wichtig ist.

Am 16. Juni 1851 heiraten Fritz Reuter und Luise Kuntze und sie wohnen von nun an in einer kleinen Wohnung in Treptow. Sie verzichten auf die restliche Erbschaft und machen ihren eigenen Lebensplan für das Geldverdienen. Luise unterrichtet Kinder in Französisch und Klavier, er malt als Nebenerwerb Porträts und ist wieder als Schriftsteller tätig. Er verfasst spaßige Gedichte. 1853 gibt er im Selbstverlag „Erlauschtes und Gereimtes“ heraus und ist damit gleich erfolgreich. Luise unterstützt ihn sehr und das ist gut für sein Selbstwertgefühl. Mittlerweile ist er auch ein achtbares Mitglied der Stadtverordneten.

Aber Reuter ist auf der Suche nach etwas, was ihn stimulieren kann, über Land und Leute zu schreiben. Deshalb ziehen Luise und Fritz Reuter im April 1856 von Treptow ins mecklenburgische Neubrandenburg. Hier lebt er als freier Schriftsteller, ist umgeben von interessanten Leuten, engagiert sich politisch in vaterländischen Kreisen und dabei schreibt er seine bekanntesten Werke, die von größter Bedeutung sind. „Kein Zuhause“ (1857), „Aus der Franzosenzeit“ (1859), „Aus meiner Voluntärszeit“ (1. und 2. Teil 1862, 3. Teil folgt 1864) – sein plattdeutsches Meisterwerk, in dem er über seine Erlebnisse in seiner landwirtschaftlichen Lehrzeit berichtet. Nicht zu vergessen ist der zweite Teil von „Aus meiner Festungszeit“ (1862). Alle seine Erzählungen haben einen autobiographischen Hintergrund, und wenngleich Fritz Reuter in seinem Leben viele schlimme Sachen erlebt hat, werden in seinen Geschichten die persönlichen Fehlschläge meistens nicht benannt und er schreibt lieber auf erheiternde, nachsichtige und mitunter auch versöhnliche Art ud Weise.

Reuter ist sehr bekannt und beliebt und bekommt eine Menge Auszeichnungen und Ehrungen. 1863 wird er von der Universität Rostock mit dem Doktortitel „honoris causa“ ausgezeichnet. 1866 erhält er die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. Rostock tauft ein Schiff auf seinen Namen und in Bremen läuft 1867 die „Stromtied“ vom Stapel.

Die Leute aus Neubrandenburg verabschieden sie sehr herzlich, als Fritz und Luise Reuter am 20. Juni 1863 nach Eisenach umsiedeln. Nach einem Kuraufenthalt in der Nähe hatten Reuters beschlossen, nach Eisenach umzuziehen. Zuerst wohnen sie in einer schönen, großen Wohnung. Mit der Zeit verdient Fritz Reuter aber immer mehr und sie kaufen ein Grundstück und lassen sich eine schöne Villa darauf bauen.

Reuter ist ein achtbarer Literat mit Wohlstand und Popularität, und viele Leute freuen sich, ihn zu sehen und zu besuchen. Er ist bekannt als „ Bestsellerautor mit Humor“. Die Zuversicht, dass der Umzug nach Thüringen seine Gesundheit verbessern würde, bewahrheitet sich nicht. In den letzten drei Jahren macht zudem das Herz Probleme. Ostern 1874 hat Reuter einen Schlaganfall und sitzt von nun an im Rollstuhl. Am 12. Juli 1874 stirbt Fritz Reuter. Drei Tage später wird er beerdigt und viele Leute geben ihm das letzte Geleit.

Für beide war es die große Liebe. Nach seinem Tod schreibt Luise an einen Freund: „In meinen Armen verschied er. Unsere Wünsche erfüllten sich, der seinige, dass ich ihm die Augen zudrücke, und mein Gebet, dass sein Ende leicht sein möge.“ Luise hat noch 20 Jahre gelebt. Beide sind nun auf einer großen Grabstätte, die von der Stadt gepflegt wird.

Fritz Reuter verdient zum Schluss so viel Geld mit seinen Büchern wie kein anderer Schriftsteller in dieser Zeit. Was früher ein „Staatsfeind“ war, ist nun ein respektierter Bürger geworden, ein beliebter „Volksdichter“. Seine Bücher sind in elf Sprachen übersetzt worden, zum Beispiel ins Finnische, Italienische, Rumänische, Russische und sogar ins Japanische. Ins Hochdeutsche durften sie erst nach seinem Tod übersetzt werden. Wer mehr über das Leben von Fritz Reuter wissen will, sollte nach Stavenhagen fahren ins „Fritz-Reuter-Literaturmuseum“, in das alte Rathaus, wo Fritz Reuter auf die Welt gekommen ist. Es lohnt sich!

Bestattungshaus Kaiser