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Feuilleton News

Eine Botschaft der Zuversicht

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Das Theater für Niedersachsen brachte Mozarts  „Zauberflöte“ als buntes, flottes Musiktheater

Wenn sich am Ende alle in den Armen liegen, ist das Hoch auf die Freundschaft, die Liebe, die Menschlichkeit perfekt. Ach, wäre es doch überall so einfach. So wie mit der weisheitsvollen Lehre des Sarastro beispielsweise, dass der Gefallene durch Liebe zur Pflicht zurückgeführt würde, weil man in seinen Hallen die Rache nicht kennt. Nicht mit dieser koloraturgesättigten Vergeltungsarie der Königin der Nacht, die prophezeit, dass ihr Gegenspieler, den sie als Bösewicht denunzierte, erbleichte, bevor sie mit ihm fertig ist. Aber es ist ein Märchen, ein Zauberflötenmärchen, Mozarts Vermächtnis. Dieses Zwitterwesen aus Volkskomödie, gespeist mit ethischen Quellen des Humanismus der Aufklärungsperiode im 18. Jahrhundert. Diese Oper ist eine Botschaft der Zuversicht.

Stimmlich am überzeugendsten: Andrey Andreychik als Papageno.

Stimmlich am überzeugendsten: Andrey Andreychik als Papageno.

Das Theater für Niedersachsen (TfN) war mit der „Zauberflöte“ zu Silvester im Theater an der Ilmenau zu Gast, und was das Ensemble aus Hildesheim bot, war eine sehr solide Leistung. Unter der Stabführung von Florian Ziemen brachte die TfN-Philharmonie einen munteren Sound aus dem Orchestergraben in den Saal; der Dirigent hielt seine Musiker jedoch so an der Leine, dass die Solisten stimmlich immer durchsetzungsfähig blieben. Das Konzept sah eine Meute Hippies als Zuschauer:innen  (Chor: Achim Falkenhausen) und eine Art Moderation durch Sarastro und Pamina vor (Uwe Tobias Hieronimi, Sonja Isabel Reuter). Dadurch entfielen die eher sinnfreien Dialoge des Anfangs. Leider war der Witz dieses Einfalls ein wenig verpufft, als die beiden als Akteure in die Handlung eingreifen mussten. Denn das Libretto von Emanuel Schikaneder ist ja eher eine bunte Mischung aus Unwahrscheinlichkeiten, Späßen und Geheimnistuerei. Allerdings nicht nur. Und was Mozarts Musik aus dem Ganzen machte, ist unübertroffen: Der Formenreichtum zwischen einfachem Volkslied, beseeltem Duettgesang und dramatischer Koloraturarie legt den tieferen Gehalt bloß.

Eunsoo Lee sprach innerhalb von zwölf Stunden als Königin der Nacht ein. Fotos: Kaiser

Eunsoo Lee sprach innerhalb von zwölf Stunden als Königin der Nacht ein.

Kennt man den „Amadeus“-Film von Miloș Forman aus dem Jahr 1984, ist man sehr einverstanden mit dieser Aufführung!  Denke man doch immer mit, dass der Komponist ein junger Mann war, als er starb (1791 mit 35). Da darf schon ein bisschen Klamauk sein, obgleich sich die stumme Rolle des schwarz-weißen Harlekin, der überall dabei war, nicht erschloss. Nebenher aber auch die Erkenntnis, dass man zu dieser Musik auch Cancan tanzen kann oder sich wie Freddy Mercury gebärden! Versuchen Sie das mal mit einem Helene-Fischer-Song. Die Vorstellung vereinte satte Chöre, eine durchdachte Choreografie und schöne Stimmen. Allen voran Andrey Anderychik als Papageno. Aber die Pamina von Sonja Isabel Reuter stand ihm nicht nach, beide sangen ausgewogen, mit gutsitzender Stimme von Glanz. Wohl timbriert Uwe Tobias Hieronimi, der den tiefen Tönen des Sarastro Würde verleiht, auch wenn er in einer Robe und Maske der Kastraten steckte. Die Königin der Nacht hatte erst am Morgen des Silvestertages erfahren, dass sie auf der Bühne stehen sollte und kam aus Annaberg im Erzgebirge (die des TfN war ohne Stimme aufgewacht). Eunsoo Lee  fügte sich nahtlos ein, und obgleich ihre Lage nicht der dramatischer Sopran war, überzeugte sie. Genau wie Yohan Kim als Tamino, der seinem Part die lichte Klarheit im Ton lieh, die Substanz und Wärme hatte. Eigentlich blieb der Zuschauer über die ganzen drei Stunden verschont von hörbarer Mühe einer deutlich flackernden Kraftanstrengung – und manchmal war es sogar ein Triumph von Singstimme und Orchesterklang.

Amelie Müller hatte die Akteure in zauberhaft fantasievolle, bunte Kostüme gesteckt. Das Bühnenbild war zwar nicht existent, bestand nur aus ein paar floralen Vorhängen und ein paar Kisten, erfüllte aber seinen Zweck (Inszenierung und Bühne: Christian von Götz). Dazu war das gesamte Ensemble spielfreudig, sang also nicht nur von der Rampe. Aber die Compagnie aus Hildesheim hatte schon oft genug die Überraschung der schönen Stimmen und der quirligen Aktionen im Gepäck. – Es war ein schöner Abend, auch wenn  sich das Ende, bis sich alle endlich gefunden haben, ja zieht. Aber für das Schlussbild gab es tosenden Applaus. So richtig silvester-like und die Welt war in Ordnung. Ach, wie schön. Prosit Neujahr!

Barbara Kaiser – 01. Januar 2025

Uwe Tobias Hieronimi als Sarastro Superstar.

Uwe Tobias Hieronimi als Sarastro Superstar.

Bestattungshaus Kaiser