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Feuilleton News

Der Müll der anderen

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Eine Betrachtung nach einem Stadtwaldspaziergang

Man konnte die Spur des Umweltferkels genau verfolgen: Vom Netto-Supermarkt an der Ebstorfer Straße bis zum Bolzplatz Westerweyhe am Waldweg. Am Ende lag die weggeworfene Pappverpackung, auf der Route vier der fünf bunten Folien der ungesunden Süßigkeit mit dem Nilpferd drauf. Haben Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, auch schon oft geärgert über dieses bedenkenlose Müllentsorgen in der Landschaft? Da fliegt das Bonbonpapier oder Papiertaschentuch einfach weg, dabei hatte man das bis eben noch gut verstaut. Was findet sich nicht alles? Die Anzahl der leeren Flachmänner Pfefferminzlikör steht in meiner Statistik zweistellig; es kann aber auch Weinbrand sein oder eine große Flasche Whisky oder Wodka. Einfach weggeworfen. Aus dem Autofenster oder vom Fahrrad. Dabei muss man auch als Radfahrer auf die Promillegrenze achten. Und da war hier noch nicht die Rede von den zahllosen Pappbechern einer gewissen Fastfood-Kette oder von Bäckereitüten, Plastikwurstverpackungen und Getränkeflaschen. Mein Mann fand neulich auf seinem Spaziergang im Stadtwald zwei Stück davon, die waren sogar noch verschlossen – wir hätten das Bier also noch trinken können! Unsere grobe Rechnung ergab über ein Jahr runde 50 Euro Pfand. Das Geld liegt also noch auf der Straße! Und wir reden hier nur von einem kleinen Gebiet Stadtwald und dem Gelände um den Oldenstädter See, nicht vom Stadtzentrum. Flaschen, Dosen, Müll. Die Frühjahrsmüllsammel­aktion erbrachte ja nicht nur in Uelzen Tonnen an Unrat. Zufällig war ich zu Hause, als „an der Saale hellem Strande“ geputzt wurde: Altreifen, sogar einen E-Roller zogen die Helfer aus dem Wasser.

Mein Mann und ich sammeln ja das ganze Jahr über den Dreck anderer Leute, nicht nur zu den ausgerufenen Aktionstagen. Und es tröstet ein wenig, dass wir nicht die einzigen sind. Ob uns die Stadt einen Bonus auf die Müllgebühren einräumte, weil unsere gelbe Tonne meist zur Hälfte mit Fremdmüll gefüllt ist? Oder verrechnen wir das mit dem Pfandgeld, weil wir uns nicht zu schade sind, die Flaschen und Dosen aufzuheben, nach Hause zu tragen und am Ende abzugeben? Was sind das für Menschen, die so bedenkenlos durch die Welt latschen? Es ist zu beobachten, dass es im großen Einkaufszentrum an der Ilmenau meist junge Leute sind, die Pfandbehältnisse nicht abgeben, sondern stehen oder fallen lassen. (Der Securitydienst kann davon ein Lied singen.) Geht es ihnen zu gut? Denken sie einmal einen kurzen Augenblick darüber nach, dass Jugendliche anderswo auf der Welt von weniger als einem Dollar am Tag leben müssen? Dass die sich eine Dose Cola wahrscheinlich gar nicht leisten können.

Es treibt mich um, dass es so ist. Aber was tut man dagegen? Als ich neulich im Getränkehandel in Ebstorf zwei Jungs fragte, ob sie ihre eben gekaufte Dose auch wieder zurückbrächten und nicht in die Gegend schmissen, reagierten die überraschend vernünftig und dementierten heftig, dass sie Müllsünder seien. Auch der Verkäufer pflichtete ihnen bei und wusste, dass diese beiden ihr Leergut wieder mitbrächten. Eine Ausnahme?

Aber ehrlich gesagt bin ich angesichts der Bilder – siehe Foto – die sich nach einem einzigen Wochenende am O-See boten, ratlos, hilflos und wütend. Aber wo anfangen mit Kontrolle, Erziehung, Aufklärung? Ich weiß es nicht. Und manchmal wünschte ich mir so ein Ding wie in Frank Schätzings Roman „Der Schwarm“ – dass die Natur zurückschlüge auf alle Umweltsünder. Aber vielleicht tut sie das ja schon lange, nur hat es der kleine Müllwegwerfer noch nicht bemerkt…

[Barbara Kaiser]

Bestattungshaus Kaiser