Das hohe Gut Kultur
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Abwechslungsreicher Spielplan des Kulturkreises Uelzen für 2023/24
In Niedersachsen belaufen sich die öffentlichen Ausgaben für Kultur für jeden Einwohner:in auf 85,44 Euro. Das ist wenig bedenkt man, dass der Bundesdurchschnitt 135,47 Euro beträgt (nachzulesen im Kulturfinanzbericht). Aber rufen wir diese 85 Euro auch für uns ab? Gehen wir ins Theater, ins Konzert, zur Kleinkunst? Nein, wir bekommen dieses Geld nicht ausgezahlt, damit die Theaterkarte günstiger würde; aber ohne diesen Zuschuss gäbe es das bunte, abwechslungsreiche Programm vielleicht gar nicht.
Die öffentlichen Kulturausgaben des Bundes betragen nur 0,43 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Angesichts der zwei Prozent für Kriegsgerät im Verteidigungshaushalt ist es wahrlich nochmal wenig zu nennen, denn es waren 2020 nur insgesamt 14,5 Milliarden Euro, während 100 Milliarden Sonderhaushalt für das Haus Pistorius aus dem Boden gestampft wurden… Aber seien wir nicht undankbar. Angesichts der Tatsache, dass die Stadt Uelzen das Theater an der Ilmenau nicht abriss, sondern sanierte, haben wir doppelt Grund zur Freude. Und: Dass die Verantwortlichen des Kulturkreises (und alle anderen Veranstalter des Landkreises) betonen, sie seien jetzt zurück aus dem Tal der Coronapandemie. Fast 40 Veranstaltungen wurden organisiert, dazu kommen Theater und Musik der freien Bühnen, die sich ebenfalls mit einer Anzeige im neuen Programmheft finden, das seit vielen Jahren vom Uelzener Künstler Georg Lipinsky mit seinen farbenfrohen und manchmal auch verrätselten Collagen bestückt wird.
„Kunst und Kultur formen unsere Identität, vermitteln grundlegende Werte und fördern unser kreatives Handeln“, heißt es weise zum Geleit des o.g. Kulturfinanzberichts – wobei sich für meine Begriffe Kultur und Finanzen ausschließen sollten, aber so ist es leider nicht. Wobei und wodurch lässt sich also unsere Identität formen, werden Werte vermittelt. Und welche? Es gibt gleich zweimal Kabarett in dieser Saison. Einmal Ost und einmal West sogar! Aus Hamburg kommt Sebastian Schnoy, aus Berlin das Ensemble der „Distel“, das zu DDR-Zeiten eines der renommiertesten war. Der Theaterring bewegt sich zwischen dem Abiturthema „Woyzeck“ von Georg Büchner und „Mephisto“ nach dem Roman von Klaus Mann. Dazwischen gibt es noch „Moliéres Tartuffe“, diesen selbsternannten moralischen Tugendwächter, dem eigentlich nur die Gier aus den Augen blitzt, wenn man genauer hinsieht.
Der Symphonische Ring bringt in dieser Saison nicht nur Romantik, wie früher viel zu oft, sondern auch Gershwins „Rhapsodie in Blue“ und Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“. Nicht als Klavierpartitur, sondern mit Jazztrio und Orchester! Das wird eine Hörerfahrung. Schostakowitschs 10. Sinfonie gibt es mit dem Landesjugendorchester Bremen, und die Klassische Philharmonie Bonn spielt das, wofür der Name steht: Mozart, Hummel, Haydn.
Natürlich steht im Programmheft des Kulturkreises auch Vieles für Kinder, schließlich sind die der Theaterbesuchernachwuchs. Ein Zirkus-Musical kommt auf die Bretter und „Hans und Greta“. Wir ahnen es: ein Kindermusical nach Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Einen neuen Fall klären die Erdmännchen Jan und Henry. Sie wissen schon, die aus dem abendlichen Sandmann: „Alle Augen zugemacht, wir schlafen jetzt die ganze Nacht“! Im Theater schlafen die Kleinen ganz bestimmt nicht ein, denn da geht es turbulent zu!
Die Aufzählung ist unvollständig, denn nachzulesen ist alles im Programmheft des Kulturkreises. Alle Termine, alle Preise – und wer in diesem Jahr 18 Jahre alt wird, bekommt vom Bund den KulturPass, was heißt, diese Geburtstagskinder dürfen 200 Euro für Kultur ausgeben. Na, damit kommt man schon ein Stückchen. Da kann man zum „Abba“-Tribute Concert gehen oder zum „Nußknacker“-Ballett. Oder zum Magier, zu Best of Poetry Slam und „Kokubu“, den Trommlern aus Japan. Das Programm ist unglaublich bunt und gelungen! Bleiben Sie nicht vorm Fernseher sitzen, liebe Leserinnen und Leser. Damit wir der Behauptung von Oscar Wilde, die er immerhin schon vor 150 Jahren tat, etwas entgegensetzen: „Wir leben in einem Zeitalter der Überarbeitung und Unterbildung, in einem Zeitalter, in dem die Menschen so fleißig sind, dass sie verdummen.“ Und das wollen wir doch nicht!
[Barbara Kaiser]