Sechs Saiten – eine Flöte
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Sommerkonzertreihe in St. Marien geht mit Simon Gutfleisch und Luisa Piewak zu Ende
Googelt man den Namen, den sich das Duo Luisa Piewak (Flöte) und Simon Gutfleisch (Gitarre) gab – „Sappitatti“ nämlich – , dann landet man auf einer finnischen Seite, die über den Gallenröhrling berichtet. Über diesen Pilz, der dem Steinpilz schon mal ähnlich sehen kann, aber jedes Gericht verdirbt. Was mag zwei Instrumentalisten bewegen, sich die Bitterkeit in den Namen zu wählen? Nun, der Auftritt der beiden Musiker:innen war keineswegs unbekömmlich, obgleich sehr viel Unbekanntes auf dem Programmzettel stand. „Musik am Rande vom dem, was man so kennt“, nannte es Simon Gutfleisch in seiner Anmoderation.
Die neun St.-Marien-Sommerkonzerte sind vorüber. Insgesamt kamen rund 750 Zuhörer, das sind immerhin reichlich 80 pro Konzertstunde. Vielleicht war das Programm in diesem Jahr ein wenig zu abseitig, denn man möchte als Konzertbesucher:in doch auch mal ein Wiedererkennungs-Aha erleben. Trotzdem ist diese schöne Samstag-Nachmittag-Verlässlichkeit eine etablierte Angelegenheit.
Am Schluss nun Gitarre und Flöte. Da sieht man die eine oder andere Stirnfalte vor sich, von wegen kreischender Riffs oder quäkender Töne. Dafür hatte man bei Gutfleisch/Piewak aber keinen Anlass. Auch wenn neben Béla Bártok ausschließlich Zeitgenössisches auf dem Notenpult lag: Gary Schocker (*1959), amerikanischer Flötist und Komponist, Mathias Duplessy (*1972), französischer Tonsetzer und Arvo Pärt (*1935), der estnische Vertreter der neuen Einfachheit.
So waren die Stücke oft tonale Angebote – für die Imagination war der Zuhörer selber zuständig. Der Titel dieses Konzerts lautete nämlich „Dream Travels“ (Traumreisen). Auf denen Gary Schocker beispielweise nach Stratford (Achtung!! Shakespeare!), Rio (ohne Samba) Salem (war es die Stadt in Baden-Württemberg oder Massachussets, beschrieb es die Hexen von dort oder – eine Zigarettensorte dieses Namens gab es auch mal) und Sevilla (mit einem Hauch spanischem Olé) reiste. Mathias Duplessy begab sich ins Gebirge und besuchte Ulan Bator, die mongolische Hauptstadt, die eine ziemlich moderne Großstadt ist und nicht nur Kälte und Wildpferde kennt. Arvo Pärts „Spiegel im Spiegel“ war eine recht spannungslose Angelegenheit mit aufgelösten Dreiklängen für die Gitarre und einer einfachen Melodie in der Flöte; gemacht zum Wegdriften. Und Béla Bártoks „Rumänische Volkstänze“ erklangen kurz und prägnant.
Luisa Piewak und Simon Gutfleisch harmonierten gut zusammen. Sie sind ohne Zweifel Meister auf ihren Instrumenten, auch wenn die Flöte im Presto oder Forte schon mal schriller wurde. Ansonsten war ihr Spiel aber grundsätzlich nichts zum Aufschrecken. Simon Gutfleisch erwies sich auch in den hohen und piano-Tönen als sehr souverän.
Woran zu arbeiten wäre, ist die Moderation. Man muss den Zuhörern nicht drei Mal erklären, was sowieso auf dem Programmzettel steht. Es ist schade – und es stand hier schon vor drei Jahren einmal zu lesen – mit diesen Ansagen zerreden sie einen soliden musikalischen Auftritt. Warum lässt man das Publikum sich nicht zurücklehnen? Und wenn sie mal was nicht verstehen – na und? Es gäbe die Gelegenheit der Nachfrage beim anschließenden Wein. Auch so eine schöne Tradition der St.-Marien-Konzerte.
Nun ist`s also wieder vorbei. Der Sommer. Die Sommerkonzerte. Die Musik in der wunderbaren Kirche natürlich nicht. Und in einem Jahr beginnt der Juli mit der Reihe natürlich aufs Neue…
Barbara Kaiser – 01. September 2024