Schlussakkorde – Dankesreden
Letztes Konzert der Sommerakademie mit triumphalen wie innigen Momenten
Es muss immer viel geredet werden nach Ende eines solch erfolgreichen Projekts. Auch wenn dieses Projekt den Kinderschuhen längst entwachsen scheint, es bleibt doch immer neu. Die 15. Internationale Sommerakademie sah mit 70 Student:innen einen absoluten Teilnehmerrekord; aber auch die Besucherzahlen konnten sich sehen lassen. Das Abschlusskonzert, das wieder mit Tangorhythmus und Dreivierteltakt von den Kontrabässen Open Air eröffnet worden war, erlebte ein voll besetztes Langhaus in Oldenstadt und ein enthusiastisches Publikum – was nicht nur an den Kommiliton:innen der Vortragenden lag.
Blumen für Kaixiang Wang und einen wunderbaren Mozart.
Für seine Sätze, leider müsse ja auch immer über Geld geredet werden, weshalb man den treuen Sponsoren sehr dankbar sei, erhielt der Vorsitzende des Sommerakademie-Vereins, Dr. Dirk Jaskolla, Szenenapplaus: „Weil es in diesen Zeiten nicht selbstverständlich ist, der Kultur (!) Mittel zur Verfügung zu stellen.“ Und er ergänzte: „Wir partizipieren von dieser großen künstlerischen Qualität der Musikveranstaltungen und haben es überhaupt nicht weit dafür.“
Dann begann das Konzert und es ist wie immer vergebliches Mühen, die Stimmung der Auftritte in ein rezensorisches Fazit einsperren zu wollen. Die Akteure blieben nichts schuldig, was Musik lebendig macht. Der Beginn kam Stephanie Ding Draughon (21/USA) zu, die das Klavierkonzert Nr. 2 f-moll op. 21 von Frédéric Chopin mitgebracht hatte. Aus dem ersten Satz, dem Maestoso, machte sie eine fröhlich-lärmende Lebendigkeit mit inniglichem Gefühl ohne falsches Sentiment. Chopin schrieb das Werk 19-jährig in den Jahren 1829/30. Seine brillante Virtuosität, die schillernden Passagen, die kunstvollen Ornamente waren bei der Solistin gut aufgehoben; sie stellte die Noten in den Mittelpunkt, nicht sich selbst.
Es folgte das Violinkonzert A-Dur KV 219 von Wolfgang Amadeus Mozart, das eine chinesische Angelegenheit war. Die Sätze Allegro aperto, Adagio und Tempo di Minuetto teilten sich Fiona Zhonghan Chen (21), Anqi Lai (20) und Kaixiang Wang (21). Fiona Zhonghan Chen ist ein musikalischer Orkan, das hatte sie schon in einem vorangegangenen Konzert mit dem Paganini bewiesen. Man sieht ihr die Lust am Musizieren an. Die Kadenz war zephirzart. Anqi Lai erschloss sich das Adagio eindrucksvoll, vielleicht waren die Akzente, die Phrasierungen, ein bisschen zu stark. Für den dritten Satz legte Kaixiang Wang eine traumwandlerische Sicherheit an den Tag, spielte erfrischend ungekünstelt.
Die jüngste Teilnehmerin war Luise Bold, zehn Jahre alt.
Nach der Pause saß die jüngste Teilnehmerin, die erst zehnjährige Luise Bold (Dt.), am Flügel. Das Spinnerlied op. 67,4 von Felix Mendelssohn-Bartholdy imaginierte unter ihren flinken Fingern das sich drehende Spinnrad auf schöne Weise. Ebenfalls von diesem Komponisten erklangen danach, gespielt von Felicia Chang (17/China), die Variations Sérieuses op. 54 ernsthaft, entschlossen und ausdrucksstark.
Danach eine Erstaufführung, was es nicht so oft gibt: Von Nino Rota (1911 bis 1979) hatte der Kontrabassist Anton Kammermeier (25/Dt.) dessen „Divertimento Concertante“ für Streicher bearbeitet. Gemeinsam mit dem Kammerorchester Wratislavia aus Wrocław brachte er es nun zu Gehör. Der Italiener Rota komponierte über 150 Filmmusiken, für Fellini, Visconti und Coppola; für die zu „Der Pate“ erhielt er einen Oscar. Trotzdem sah er sich durchaus als klassischer Komponist. Sein „Divertimento Concertante“(also: ein konzertantes Vergnügen) ist eine Mischung zwischen Hollywood-Klamauk und eine vage Erinnerung an die „Romeo und Julia“-Ballettmusik von Sergej Prokofjew. Da ist eine unterhaltsame Leichtigkeit – die so schwer zu machen ist! – mit unerwarteten Überraschungstönen. Ein burlesker Marsch tanzt sich durch alle Tonarten und ist ein veritabler Rausschmeißer.
Anqi Li aus (20) aus China interpretierte das Adagio von Mozarts Violinkonzert A-Dur
Dank an den künstlerischen Leiter Professor Hinrich Alpers vom Vereinsvorsitzenden, Dr. Dirk Jaskolla.
Anton Kammermeier spielte es als das, was es wahrscheinlich sein soll: Ein Schelmenstück. Mit dem Charme der Übertreibung und in der gespannten Stille der Zuhörer arbeitet er sich durch die schwierigen Passagen, als wäre es keine Kunst. Schwungvoll-schmissig, jenseits jeden andächtigen Romantisierens, ließ er das so oft unbeachtete Instrument, den Kontrabass, funkeln. Wunderbar!
Das wirklich letzte Musikstück – ehe die Blumensträuße verteilt wurden – durfte Nina Frey interpretieren: Das Rondo Allegro, den dritten Satz aus Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 c-moll op. 27. Die erst 15-Jährige schlug sich wacker. Ihr Spiel war lustvoll, aber nicht auf die naive Spielfreude beschränkt. Jedoch auch nicht akademisch blass. Zwei Tage zuvor erklang das gesamte Konzert schon einmal in Medingen. Dort war Taeeun Kim (Südkorea) für den dritten Satz zuständig. Dem konnte Nina Frey noch nicht das Wasser reichen, aber ihr Musikerkollege ist auch doppelt so alt wie sie.
Die 15. Internationale Sommerakademie ist also Geschichte. Das Publikum erlebte zum wiederholten Male hochkarätige Musikinterpretationen. Altbekanntes, das manchmal wie neu erstrahlte. Oder nie Gehörtes, das im Gedächtnis bleiben wird. Diese Stadt hat mit der jährlichen Veranstaltung eine Perle, die es zu putzen gilt und zu pflegen. Denn wie sagte es Dr. Jaskolla: Wir müssen nicht mal weit fahren für solch erlesene künstlerische Qualität. Der 16. Jahrgang der Sommerakademie ist im Jahr 2025 bereits geplant: Vom 01. bis 10. August. Man sollte in diesem Zeitraum keinen Urlaub machen…
Barbara Kaiser – 29. Juli 2024