Hugo-Distler-Ensemble sang im Konzert zum Totensonntag Brahms, Lauridsen und Duruflé
Es ist üblich innezuhalten, die Alltagshatz zu unterbrechen, der Verstorbenen zu gedenken. Das letzte Wochenende vor dem ersten Advent ist die Zeit der Trauer, der Tränen, des Flehens und Hoffens, auf die ewige Ruhe, das ewige Licht. So stand das Konzert des Hugo-Distler-Ensembles, des vielfach ausgezeichneten Kammerchores aus Lüneburg, ganz im Zeichen dieser Kontemplation. Die Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Uelzens Kantor Erik Matz sangen zwei Konzerte, in St. Johannis Lüneburg und in St. Marien Uelzen. An ihre Seite hatten sie sich verlässliche Partner geholt: Den Organisten Reinhard Gräler, Kantor an St. Marien in Winsen, und die Solisten Sarah Hanikel (Sopran) und Stefan Adam (Bariton).
Zum Auftakt erklang „Lux Aeterna“, die Vertonung verschiedener liturgischer Texte in Bezug auf das „ewige Licht“; ein fünfsätziges Chorwerk des US-Amerikaners Morten Lauridsen (*1947). Es waren wohlgefällige Noten jenseits jeglicher Dissonanz im Stile des Neo-Impressionismus. „Gib ihnen ewige Ruhe, Herr, und das ewige Licht leuchte ihnen“, heißt es darin. Es sind Noten zwischen kraftvoller Zuversicht, manchmal sogar nahe am Jubel mit einem beeindruckenden „Halleluja“ am Ende.
Was für eine Intensität strömte da von den rund zwei Dutzend Sänger:innen ins Publikum. Das Ensemble ist eines von großer Einsatzfreude und Energie, mit seelenvollem Timbre. Die Orgel blieb anschmiegsam am Gesang – es waren Noten zum Zurücklehnen.
Für Johannes Brahms` Motette op. 74 a capella „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“ überzeugte der gemischte Chor mit subtiler Vokalpoesie und in starker Ausstrahlung und Dichte. Stimmlich flexibel und im Text bestechend deutlich. Ein wunderbares Stück Chorliteratur aus dem Jahr 1879, das für den Komponisten „eine kleine Abhandlung über das große Warum“ sein sollte.
Das Hugo-Distler-Ensemble erwies sich als Schwerstarbeiter der Nuance, jenes geringsten Klangunterschieds und Tonwechsels, die am Herzen reißen. Erik Matz war wie immer ein Chorleiter, der Partituren zum musikalischen Erlebnis zu erwecken in der Lage ist.
Zum Abschluss erklang das Requiem op. 9 von Maurice Duruflé. Die Vertonung der lateinischen Totenmesse wurde im Jahr 1941 vom Vichy-Regime in Frankreich in Auftrag gegeben, wurde jedoch erst im Jahr 1947 uraufgeführt. Das neunteilige Werk besitzt einen tröstenden Grundton, es ist ruhig und eher introvertiert.
Der Chor sang mit großer Innigkeit das „Herr, erbarme dich, Christus, erbarme dich“ und steigerte sich zum Forte bei „… dass die Hölle sie nicht verschlinge und sie nicht fallen in die Finsternis“. Es war eine musikalische Predigt von äußerster Klarheit. Die beiden Solisten und das Ensemble erwiesen sich als gestaltende Akteure, die sich am Ende zu einer sinnlich ausformulierten und sehr überzeugenden Ensembleleistung fanden.
Die Besucher verdeutlichten mit ihrem langen Beifall, dass es solcher Novemberkonzerte in diesen unsicheren und unruhigen Zeiten wohl bedarf. Würden doch am kommenden Sonntag, wenn das neue Kirchenjahr beginnt mit der Zeit der Erwartung, wirklich alle Tränen der Welt weggewischt werden können…
Barbara Kaiser – 25. November 2024
Das Hugo-Distler-Ensemble mit dem Organisten Reinhard Gräler (links) und den Solisten Sarah Hanikel und Stefan Adam mit Erik Matz (rechts).