Drei Bauernhöfe, eine Windmühle und eine Bäckerei
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Foto: Rasmus Revermann
Fünf regionale Partner für den Waldstaudenroggen – Backen mit einer alten Getreidesorte
Neuhaus/Zernien 26. November 2024 – Ein altes Getreide mit einem langen, seltsamen Namen kehrt zurück in die Biosphärenregion und führt zu einer engen Kooperation verschiedener Unternehmen: Waldstaudenroggen gehört zur Pflanzenart Roggen (Secale cereale) und ist eine der ältesten bekannten Getreidesorten. Ursprünglich stammt er aus dem Vorderen Orient, wo er vor rund 7.000 Jahren aus Süßgräsern kultiviert wurde. Daher wird Waldstaudenroggen auch „Ur-Roggen“ genannt; weitere Bezeichnungen sind aufgrund seiner Einsaat um Johanni zur Mittsommerwende
“Johannisroggen” oder wegen seiner Unempfindlichkeit gegenüber kalten Temperaturen „Sibirischer Roggen“. Er wächst auf kargen Böden und verträgt raues Klima: Gründe, warum sich vor 1.500 Jahren erste Roggensorten schnell in Mittel- und Nordeuropa etablierten.
Der Waldstaudenroggen ist wie das Wort „Stauden“ im Namen bereits verrät eine mehrjährige Pflanze, die bis zu zwei Meter hoch werden kann. Im ersten Jahr wird das Getreide zur Futtergewinnung gemäht und trägt erst im zweiten Jahr an den langen filigranen Ähren die im Vergleich zum herkömmlichen Roggen wesentlich kleineren Körner. Auch wenn Waldstaudenroggen mit seinen kräftigen Wurzeln den Boden sehr gut lockern und er aufgrund seiner Größe reichlich Stroh liefert, liegt die Erntemenge bei nur 50 % eines normalen Roggens.
Die gedroschenen Körner haben es aber in sich: Der Waldstaudenroggen enthält sehr hohe Werte an Ballaststoffen und Mineralstoffen; zudem an B-Vitaminen, Proteinen und Spurenelemente wie Kalium, Magnesium, Eisen und Zink. Außerdem enthält er die essentielle Aminosäure Lysin, die ein wichtiger Baustein für das Knochenwachstum und die Stärkung des Immunsystems ist.
Der landwirtschaftliche Betrieb und zertifizierte Arche-Betrieb „Hofleben“ in Lemgrabe baute Waldstaudenroggen erstmalig im Jahr 2022 an. 2023 folgte der Arche-Betrieb „Wendlandziege“ im wendländischen Bausen und 2024 der Arche-Betrieb „Niederhoff – Hofstelle 38“ in Dellien. Schnell entstand ein kleines Netzwerk, in dem Anbauerfahrungen ausgetauscht werden. Ebenso stimmt man sich ab, wer in welchem Jahr wie viel Hektar mit dem Ur-Roggen bestellt, damit der jährliche regionale Bedarf gedeckt werden kann; ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt bei einer zweijährigen Kultur. Und Bedarf, den gibt es: Die Bio-Vollkornbäckerei Rasche aus Zernien, Partner des Biosphärenreservates Niedersächsische Elbtalaue, zeigte schnell Interesse an dieser seltenen Getreidesorte.
„Das Mehl des Waldstaudenroggens eignet sich hervorragend für reine, herzhafte Roggenbrote und -brötchen, lässt sich aber auch ohne weiteres mit Dinkel- oder Weizenmehl zu Mischbroten verarbeiten“, sagt Jochen Rasche von der Bio Vollkornbäckerei. Es eignet sich zudem hervorragend für die Herstellung von Sauerteig. Ein neues regionales Produkt war entstanden:
Das Waldstaudenroggenbrot ist ein sehr aromatisches, gesundes Vollkorn-Roggenbrot, das Ende November erstmalig im Ladengeschäft in Zernien sowie vielen weiteren Verkaufsstellen der Vollkornbäckerei Rasche in Neu Darchau, Dannenberg, Bleckede oder Lüchow erhältlich sein wird. Wer Brot lieber selber backt, kann es mit Mehl vom Ur-Roggen versuchen, das im Laden von Hofleben in Lemgrabe, in der Regionalen Markthalle in Dannenberg und im Archezentrum in Konau angeboten wird.
Bevor das Mehl jedoch in die Backstube kommt, muss es gereinigt und gemahlen werden. Dies geschieht traditionell mit Wind – wie man es sich für eine alte Sorte vorstellt – in einer 200 Jahre alten Windmühle, der Meyers Windmühle in Bardowick.
So sind es schließlich drei Bauernhöfe, eine Windmühle und eine Bäckerei sowie Zeit und traditionelle, handwerkliche Arbeit, die ein altes fast vergessenes Getreide zurück auf die Abendbrottische der Region bringen.
Kontakt:
Archezentrum Amt Neuhaus – Informationshaus Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue Elbstr. 11, 19273 Konau
Ansprechpartner: Holger Belz
Telefon: 038841-607-70, E-Mail: archezentrum@amt-neuhaus.de
www.archezentrum-amt-neuhaus.de