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Der Buddha von Wieren

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Vergoldetes Modell des Buddhas von Bamiyan, das Manfred Gerlach dem Dalai Lama zum Geschenk machte. Foto: Barbara Kaiser

Zu Gast bei Holzbildhauermeister Gerlach 22 Jahre später

Der Aufschrei war damals immens, die Proteste vor der Tat unüberhörbar: Trotzdem zerstörten die afghanischen Taliban im März 2001 das Unesco-Weltkulturerbe, die Buddhas im Tal von Bamiyan. Es war ein letztes Zeichen ihrer Herrschaftsperiode zwischen 1996 bis 2001; ab 2002 stand das Land am Hindukusch unter der ISAF-Schutztruppe; die bei ihrem unkoordinierten Abzug im Jahr 2021 ebenfalls Chaos hinterließ, ehe die „Gotteskrieger“ wieder die Herrschaft an sich rissen. Seitdem jagen sich die Schreckensnachrichten von Unterdrückung, vor allem Frauen betreffend. Hatte man auf Mäßigung gehofft, und ich gebe zu, ich hielt das durchaus für möglich, so wird man eines Besseren belehrt.

Manfred Gerlach mit der Nachbildung des Buddha
von Bamiyan zwanzig Jahre später. Foto: Barbara Kaiser

Damals, im Jahr 2002, fasste Holzbildhauermeister Manfred Gerlach gemeinsam mit seinem Bekannten, dem Auktionator Günter Hilbeck aus Lüchow, einen Entschluss: Wir tun was. Befördert wurde das Unternehmen durch Hilbecks persönlichen Kontakte nach Afghanistan, er kannte den damaligen Präsidenten Hamid Karsei auch persönlich. Das Duo wollte in „Zeiten der Unruhe und Unsicherheit ein Zeichen der Sicherheit senden“, sagten die beiden Männer damals. Ich habe das ambitionierte Vorhaben, den Buddha von Bamiyan aus Holz wiedererstehen zu lassen, journalistisch begleitet. In der Allgemeinen Zeitung erschienen damals fünf Artikel über einen Zeitraum von zwei Jahren.

Hoher Besuch im Jahr 2007: Thailändischer Gesandter. Foto: Barbara Kaiser

Während ein Schweizer Team im Tal von Bamiyan Maße nahm, Computerbilder simulierte, einen mehrteiligen Film über seine Arbeit drehen ließ aber keinen einzigen Stein bewegte, ging in Wieren im Jahr 2004 das (kleine) Modell des berühmten, 1500 Jahre alten Buddhas aus dem afghanischen Hochland seiner Vollendung entgegen. Bald danach begann die Arbeit am fünf Meter hohen Silberpappel-Stamm, die Figur selber sollte über zwei Meter messen. Es gab sogar hohen Besuch in dieser Arbeitsphase: Der Phakhru, ein buddhistischer Gesandter aus Thailand, der damals in Kopenhagen die Bauarbeiten für einen Tempel, den sich die buddhistische Gemeinde dort erbaute, leitete, schaute in Wieren vorbei und – war beeindruckt. Zu Gast im Thai-Buddhistischen Verein Hamburg, hatte er den Umweg über Gerlachs Werkstatt  gemacht. Der Vorsitzende des genannte Vereins, Thavatshai Hemashet, sagte  damals Sätze fürs Stammbuch: „Nur weil man vorläufig geboren ist, meint man, alles nach seinem Gutdünken machen zu können. Als die beiden Buddhas von Bamiyan gebaut wurden, war vom Land Afghanistan noch keine Spur, aber deren Machthaber nehmen sich jetzt das Recht zur Zerstörung dieser Kunst.“ Ich bin der Meinung, es sind bedenkenswerte Worte. Denn auch unsere Geschichte in Europa  (auch die der letzten 35 Jahre auf deutschem Boden) ist reich an solcher Bilderstürmerei!

Das Unternehmen „Buddha“ war damals sehr weit gediehen. Die Skulptur aus Wieren sollte im Flughafen Kabul stehen. Für den Transport gab es Kontakte zu LWK-Firmen, sogar zur Bundeswehr. Dass das Schicksal von Afghanistan es anders schrieb und  derzeit überhaupt nicht daran zu denken ist, solch ein Kulturprojekt anzustoßen, ist Tatsache. Aber was wurde aus der Buddha-Figur? Ich durfte Manfred Gerlach in Wieren wieder besuchen und stand nach über 20 Jahren erneut vor der beeindruckenden Figur. Die strahlt immer noch die Erhabenheit und Ruhe, die dem Buddhismus ja immanent ist, aus. Obgleich der Stamm inzwischen der Stützen bedarf, er hohl klingt, unten die Marder wohnen und auf den Schultern der Skulptur schon Vögel ihr Nest gebaut hatten. Manfred Gerlach ist davon überzeugt, dass das dem Erleuchteten nicht stören würde. Es hat überhaupt den Anschein, als sei ein Stückchen der Weisheit und Gelassenheit, für die diese fernöstliche Religion ja bekannt ist, auf den Bildhauer übergegangen. Er habe sich schon immer interessiert „für solche Geschichten“, er hat in Indonesien Entwicklungshilfe geleistet und weiß eine Menge über die Mentalität der Menschen, die andere nur als „Fremde“ wahrnehmen. Für Afghanistan glaubt er fest an eine Zukunft des Landes, auch wenn es nicht danach aussieht im Jahr 2024.  „Man kann das von außen nicht ändern, das muss von innen kommen“, ist er überzeugt. Aber hatte das Land jemals eine Chance dafür? Erst waren die Engländer dort, dann kamen die Sowjets, dann die brutalen Warlords. Die Amerikaner meinten, es besser zu machen. Fehlanzeige. „Regime change“ funktioniert niemals auf diese Art. Das ist doch als Lehre zu begreifen aus den vielen Kriegen, dem unermesslichen Leid der massenhaft gescheiterten Versuche. Oder?

Der kleine vergoldete Buddha war vor mehr als
15 Jahren ein Geschenk an den Dalai Lama. Foto: Barbara Kaiser

Der Buddha in Wieren hält die Augen niedergeschlagen und bleibt die Antwort schuldig. Und dennoch steht man vor ihm in Bewunderung. Es ist ein Kunstwerk. Er war ein „Projekt“, das Manfred Gerlach nicht als gescheitert betrachtet. „Es war schwierig, aber schön“, sagt er. Dass einige Mitbürger verständnislos, ja fast aggressiv reagierten damals, als sie von Gerlachs Vorhaben  hörten, dafür hat der Meister ein Schulterzucken. Wie er als Christ einen Buddha gestalten könne, hatten ihn Leute gefragt. Ob die Frager wissen, dass diese seltsame Überlegung ebenfalls schon die Wurzel von Fremdenfeindlichkeit in sich trägt? „Blasphemie“ zu schreien ist also unangebracht. Der Silberpappel-Buddha aus Wieren bleibt stehen, für eine Reise wäre er sowieso viel zu fragil inzwischen. Freuen wir uns  wenigstens über seine vielen Bewohner… http://www.buddha-bamiyan-afghanistan.de

P.S. Das kleine Modell wurde übrigens dem Dalai Lama zum Geschenk gemacht, der es auch annahm. Der vergoldete Buddha, 70 Zentimeter groß in einem 1,30 Meter Birkenstamm, wurde in Hamburg dem geistigen und politischen Oberhaupt der Tibeter dargebracht. Selbst entgegen genommen hat der Dalai Lama die einen Zentner schwere Gabe nicht, da waren dann doch Sicherheitsreglementierungen vor. Aber er ließ ausrichten: Er könne mental feststellen, ob das Geschenk von Herzen käme. Und darauf kommt es am Ende ja an.

Barbara Kaiser

Bestattungshaus Kaiser

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