Traditionelles Konzert zum 3. Advent in St. Marien
Musik der Renaissance ist ja immer ein wenig schaumgebremst. Man denkt an Cembalo oder gar Spinett und sieht die höfischen Schreittänze. Kein strahlendes D-Dur. Nirgendwo eine überwältigende Fuge, die Polyphonie auch sehr sparsam. Das sollte eben in der Musikgeschichte noch runde 100 Jahre dauern. Im besten Falle kommt beim Stichwort „Shakespeare“ größere Wallung auf. Und Shakespeare-Zeitgenossen waren sie allesamt, die Komponisten, die Kantor Erik Matz für seine Zusammenstellung bemühte. „Weihnachtsoratorium der Renaissance“ nannte er das Experiment, und der Kantor hatte alle Gründe, sich im Programmheft bei den Akteuren zu bedanken, die sich darauf eingelassen hatten: Die drei Chöre, die vier Instrumentalgruppen, Organist und Rezitator. Die 90 Minuten Konzert waren eine große Leistung, blieben aber Geschmackssache.
Es erklangen 20 Musikstücke von zwölf unterschiedlichen Komponisten, die es in dieser Zusammenstellung noch nicht gegeben hat. Dazu wurden 16 kurze biblische Textpassagen zu Gehör gebracht, denn erzählt wird ja die Weihnachtsgeschichte.
Die St.-Marien-Kantorei Uelzen, das Hugo-Distler-Ensemble Lüneburg und Jugendliche der Singschule an St. Marien sangen in schöner Einigkeit. Das Flötenensemble TriTonus Hamburg, das Heinrich-Rosenmüller-Ensemble und das Streicherensemble um Galina Roreck musizierten auf historischen Instrumenten, die Gruppe „Continuo“ brachte Truhenorgel und Chitarrone in den Klang ein. An der großen Orgel saß Joachim Vogelsänger, die Texte waren bei Gerry Hungbauer in sicheren, sprachkultivierten Stimmbändern. Erik Matz hielt alle Fäden straff zusammen, es gab ganz wenige Unsicherheiten zu Beginn, die schnell eingefangen waren.
Mit der Auswahl der Werke machten die Akteure die Zuhörer mit einer großen Bandbreite der klanglichen Möglichkeiten des 16. Jahrhunderts bekannt: Alte Blasinstrumente wie Zink, Dulzian und Posaunen standen neben alten Flöten, Gamben und Violone. Der vierstimmige Choral „Es ist ein Ros` entsprungen“ war kein bloßer Schöngesang, sondern musikalische Charakteristik. Und das abschließende „Jubilate deo omnis terra“ erhielt einen schönen Seelenton durch die Sänger:innen, die in trefflicher Übereinkunft mit den Instrumentalisten agierten. Von den Komponisten war sicherlich Michael Praetorius der bekannteste, aber das genannte „Jubilate“ schrieb Giovanni Gabrieli, und es war schon recht nahe an Bachscher Lobpreisung. Aber oft hörte man in den Noten die Renaissance-Rhythmen mit, dachte an Gavotte, Sarabande und andere, die spätere Tonsetzer in ihren „Suiten“ formten.
Es war also eine eher bedenkende Einstimmung auf das Fest. Auch mit Texten wie: „Jeder Mantel, der durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.“ (Jesaja 9, 1-4 Der Friedensfürst wird verheißen) Denn wer dächte beim Stichwort „Frieden“ nicht an den Zustand dieser Welt im Jahr 2024?
Ein angemessenes Weihnachtskonzert war es sehr wohl, dem eine gewisse Verführungskraft immanent blieb. Ein Chor mit Intonationsreinheit, Klangfülle, Homogenität und Ausstrahlung, der mit berührendem Timbre das Thema behandelte, Instrumentalisten, die die Sänger:innen in einen fein dosierten Klang betteten.
Dafür gab es anerkennenden und langen Beifall. Wohlverdient.
P.S. Wer das „Jauchzet, frohlocket“ vermisst hat, könnte ja am 28. des Monats nach Ebstorf in die Klosterkirche reisen. Und im nächsten Jahr steht es ja auch in St. Marien wieder auf dem Plan!