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Feuilleton News

Ohne Biss

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„Die Herkuleskeule“ aus Dresden spielte recht harmlos

Für dieses Kabarett gab es schon zahllose Lorbeerkränze zu winden! Seit mehr als 15 Jahren versicherte ich den Zuschauern, dass sie feinstes, schärfstes, politisches Kabarett erlebt hatten. Das Theater an der Ilmenau war ganz oft voll besetzt, sagte sich das Kollektiv aus der sächsischen Landeshauptstadt an. – Inzwischen genügt, wie am vergangenen Wochenende, offenbar die Hinterbühne, um die Enthusiasten mit der Lust am Denken und Entdecken aufzunehmen. Unter dem nichtssagenden Titel „Rabimmel, rabammel, rabumm“ tändelten sich die beiden Darsteller Philipp Schaller und Hannes Sell, auf erfreuliche Weise begleitet von Jens Wagner und Volker Fiebig an den Instrumenten, durch 120 Minuten. Während derer dem Zuhörer zu keiner Zeit die Luft wegblieb angesichts vielleicht frecher Spitzen und respektloser Sottisen, die die Dummheit, Schönrednerei und Lügen von Politik, Presse und Fernsehen illustrieren. Es war kein Abend der Gaukler und Aufklärer, der mit brillantem, ja weisem Humor, der aus Doppelsinn Sinn filtert und mit tausend Fühlern am Menschen ist.

Jens Wagner, Hannes Sell, Volker Fiebig, Philipp Schaller

Jens Wagner, Hannes Sell, Volker Fiebig, Philipp Schaller

Es war wie so oft in den letzten zwei/drei Jahren: Ein Comedian erzählt Witze, damit die Leute lachen; der Kabarettist macht Witze, damit die Leute  nachdenken müssen (Werner Schneyder, 2017). Die rund 150 Gäste lauschten den Comedians Schaller und Sell, die als Zweier-WG die Welt zu retten versprachen. Zwei Männer! Da konnte man hoffen, dass sie, die Welt, am Ende noch stand.

Ja, natürlich, das Ganze war textlich rasant und darstellerisch auf den Punkt gesetzt (Regie: Ellen Schaller), ihr Handwerk beherrschen die Herkuleskeulen-Schwinger nämlich ohne Frage. Aber inzwischen scheinen sie sich zu fragen: Wie viel Politikkritik verträgt so ein Abend, ohne die Leute gleich zu überfordern? Dabei wollen die doch mal raus aus ihrer Blase, aus ihrer Echokammer, wo sie nur eigene Meinung bestätigt kriegen. Sie wollen sich reiben an anderem Argument, an konträrer Sicht. Natürlich ist Kabarett bei aller Angriffsfrechheit (so es die noch gibt) eine Veranstaltung der Übereinkunft. Hier sitzen Bürger, die eher „links“ denken. Was immer das in diesen Zeiten auch heißt. Aber Schaller und Sell zeigen nicht, dass mit sozialen Verunsicherungen auch moralische Bedrohungen wachsen, dass die Blickwinkel eng und die Blicke hart werden. Weil das Bewusstsein der freien Selbstermächtigung fehlt. Oder glauben AfD-Wähler, sie besäßen es?

Manchmal hatte der Abend so einen Moment, wo das Gleichgewicht zwischen Lachen und Gänsehaut stimmte. Wo Matteo (Schaller) dem militanten Veganer Malte (Sell) erklärt, dass die vielfache Mutter im Tschad als karges Nahrungsmittel für ihre Kinder nur die Milch ihrer einzigen Ziege hat. Oder wenn er fragt: „Wenn wir schon Waffen in die Ukraine liefern, kann da nicht beim Absender ein leiser Zweifel zurückbleiben?“

Ansonsten aber kommt die Politik nicht vor. Viel Dresche für die Grünen – das ist einfach. Kein Wort zu Gaza – Angst vorm Aufschrei „Antisemitismus“? Dass der Schauspieler in Kiew auf der letzten europäischen Beratung nach Atomwaffen rief und die Mitgliedschaft seines Landes in der Nato forderte (!) – dünnes Eis. Nein, lieber dreht man sich um den ganzen nervenden Genderkram, der Sprachunsinn produziert, den doch schon lange keiner mehr ernst nehmen kann, um maulende deutsche Rentner im Ausland  und um lächerliche Helikopter-Mütter.

Erfüllt sich eigentlich die Prophezeiung von Günter Gaus aus dem Jahr 2004 inzwischen, dass „die Legitimation durch das Volk, die Demokratie, scheitern wird an dem Ungebildetsein des Volkes“? Wie bissig und intellektuell, wie populistisch meinetwegen, könnte man dagegen agieren als Kabarettist! Denn an die televisionäre Vielfalt glaubt doch sowieso keiner mehr, weil es am Ende immer nur um quotenkonforme Einfalt geht.

So blieb die Keule des griechischen Helden ungefährlich. Kleine Nadelstiche – vielleicht. Der ganze große Knall – Fehlanzeige. „Rabimmel, rabammel, rabumm“ eben. Ohne großes „Bumm“. Schade. Und wenn die Darsteller am Schluss die Zuschauer mit Google-Konto baten, doch eine Bewertung zu hinterlassen auf der Homepage des Dresdner Hauses, dass für die „Herkuleskeule“ allerdings fünf Sterne voreingestellt seien, so ist man in einem Dilemma. Fünf Sterne für das künstlerische Agieren, ohne Zweifel. Für den Inhalt gibt`s nur drei.

Barbara Kaiser – 21., Oktober 2024

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